Der Erzbischof im Wiener Exil
HINTERGRUND / LANDESGESCHICHTE / COLLOREDO
26/06/12 Nicht nur Marcus Sitticus gilt es heuer zu gedenken. Vor zweihundert Jahren ist der letzte Salzburger Fürsterzbischof mit weltlicher Macht, Hieronymus Graf Colloredo, in Wien gestorben. Ihm gelten nun zwei Ausstellungen und ein neues Buch.
Die Sache mit dem angeblichen Fußtritt für Mozart (den er natürlich nicht selbst ausgeteilt hat) geistert durch beider Biographien und sorgt für schlechte Nachrede. Dass der aufgeklärte Erzbischof manch „volksbarocke“ Gepflogenheiten stark eingeschränkt oder gar verboten hat, machte ihn seinerzeit bei den Untertanen nicht gerade beliebt. Unabhängig davon war Hieronymus Graf Colloredo innerhalb der Salzburger Landesgeschichte aber ein wichtiger Protagonist.
Colloredo musste im Jahr 1800 vor den heranrückenden Truppen Napoleons von Salzburg nach Wien fliehen. Er starb zwölf Jahre später achtzigjährig im Wiener Exil. Drei Jahre nach Colloredos Flucht verlor Salzburg für immer seine Selbstständigkeit als unabhängiges geistliches Fürstentum.
Den Bestrebungen von Kaiser Franz I., ihn zur Abdankung zu veranlassen, leistete Colloredo entschieden Widerstand. Dadurch blieb Salzburg als Erzdiözese erhalten. Davor hatte der Erzbischof die Aufklärungspolitik Josephs II. mitgetragen und wollte Salzburg – oft gegen den Widerstand der Bevölkerung – zu einem aufgeklärten Musterland machen. Der Erzbischof bemühte sich um ein modernes und damit gerechteres Steuerwesen ("Hieronymuskataster") und setzte bis heute nachwirkende Maßnahmen zur Verbauung besonders hochwassergefährdeter Flussläufe. Auch auf dem Gebiet der Salzgewinnung und des Badewesens wurden unter ihm Impulse gesetzt, deren Auswirkungen weit ins 19. Jahrhundert hineinreichten.
Der 200. Todestag (er jährte sich bereits am 20. Mai) ist Anlass für die Doppelausstellung von 27. Juni bis 28. Dezember im Archiv der Erzdiözese Salzburg und im Salzburger Landesarchiv. Im Archiv der Erzdiözese Salzburg steht der "Kirchenfürst" und im Salzburger Landesarchiv der "Landesherr" thematisch im Mittelpunkt.
Trotz seines scheinbaren Scheiterns hat Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo auf vielen Gebieten die Grundlage für Entwicklungen gelegt, die langfristige Wirkung zeigten und oftmals erst Jahrzehnte später realisiert werden sollten. In der Regierungszeit von Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo (1772 bis 1803) erlebte das Erzstift Salzburg eine letzte, kurze Blüte, bevor es in den Wirren der Koalitionskriege für immer seine Selbstständigkeit als unabhängiges geistliches Fürstentum verlor. Daran konnten auch die an der Aufklärung orientierten Reformbemühungen des Erzbischofs nichts ändern.
Als Kirchenfürst hatten in erster Linie seine Bemühungen im Zusammenhang mit den "Emser Punktationen" (die den Eingriffen der päpstlichen Kurie in die erzbischöflichen Rechte Schranken setzen sollten), die vielfältigen Maßnahmen zur "Entbarockisierung" der Religionsausübung und die Reduktion der zahlreichen Feiertage nachhaltige Wirkung. Der hochgebildete Colloredo förderte auch die Kunst und Wissenschaft. Er war Auftraggeber Mozarts und Michael Haydns und ein besonders engagierter Kunstsammler. Bestattet wurde er auf eigenen Wunsch im Stephansdom in Wien. 2003 wurde er in die Krypta des Salzburger Doms überführt.
Das Landesarchiv hat das Jubiläum auch genutzt, um in Buchform eine Art "Bedienungsanleitung" für den Hieronymus-Kataster herauszubringen. Diese Archivalien sind eine zentrale Quelle zur Salzburger Landesgeschichte. Warum man sich heute noch für den Hieronymus-Kataster interessiert? Er ist eine große Hilfe beispielsweise bei Erbhofgutachten. Im Kataster ist die Besitzgeschichte eines Hofes an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert vergleichsweise einfach und rasch zu ermitteln.
Ergänzt wird diese Darstellung des Katasters, die vom Direktor des Landesarchivs, Oskar Dohle, verfasst wurde, durch Aufsätze über die Wahl und das Wirken von Erzbischof Colloredo, die sich zum Teil auf spektakuläre Neufunde stützten. Beispielsweise ist es gelungen, erstmals den Kapitelsaal, in dem der Erzbischof 1772 gewählt wurde, zweifelsfrei zu lokalisieren.
(Landeskorrespondenz/Kathpress)