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Subversiv kreativ mit Schuld und Sühne

ARGE KULTUR / OPEN MIND FESTIVAL 2011

03/11/11 Im November geht es in der ARGEkultur politisch her: Voriges Jahr wurde das kulturpolitisch gesellschaftskritische Engagement zum ersten Mal in einem eigenen Festival gebündelt. Da ist es um „Flucht“ gegangen. „Frei von Schuld(en)“ ist das Motto des zweiten „Open Mind Festivals“ von 10. bis 19. November in der ARGE.

Von Heidemarie Klabacher

Der Ausgangspunkt ist dramatisch genug - und Tag für Tag in seinen schier undurchschaubaren Facetten in der Zeitung zu studieren: „In den Industrieländern sind nach Angaben der OECD seit Ausbruch der Finanzkrise 2007 mehr als 13 Millionen Arbeitsplätze vernichtet worden. Besonders hart trifft es junge Leute und Gering-Qualifizierte. 13 Millionen, die ohne irgendein Zutun ihren Job verlieren oder erst gar keinen finden, schuldlos, aber sicher nicht schuldenfrei“, so ARGE-Leiter Markus Grüner und Festival-Kuratorin Cornelia Anhaus.

„Gehen dann Menschen, die sich um ihre Chancen betrogen sehen, auf die Straßen und gehen dabei Autos und Fensterscheiben zu Bruch, gilt für die jeweiligen Regierungen die Unschuldsvermutung, während in bewährter Form schnell ein Sündenbock-Szenario gezimmert ist, drakonische Strafen und Pauschalverurteilungen inklusive, um für sich selbst auch noch politisches Kleingeld zu sammeln.“

Nicht, dass wir nicht selber daran schuld wären, so die Festival-Leiter: „Jahrzehntelang haben wir uns zurückgelehnt und ein System ermöglicht, dessen Scheitern nun die Zukunft diktiert.“ Vom realen weltumspannenden Krisenszenario ausgehend haben Grüner und Anhaus die dramaturgischen Fäden des Open Mind Festivals 2011 „Frei von Schuld(en)“ gesponnen.

Philosophisches bildet - neben dem Wirtschaftlichen - einen der Denk-Hintergründe: „Auch in den Mythen dreht sich vieles um Schuld und Sühne: Prometheus bringt den Menschen das Feuer und muss für die neue Freiheit ebenso büßen wie Adam und Eva, hier mit Leberschaden, dort mit Zwangsverteibung und ewiger Schufterei.“ Wo Regeln gebrochen würden, laste die Schuld: „Am besten auf der ganzen Menschheit.“ Aber, so fragen Grüner und Anhaus: „Ist nicht Gott Schuld, weil er - unbegründet - den einen Apfelbaum verbietet oder das Feuer nicht hergeben möchte?“ Dort, wo das Recht keinen Sinn (mehr) mache, gibt es keine Schuld, da braucht man neue Regeln: „Dort, wo die Wirtschaft nicht den Menschen dient, braucht es keinen zwanghaften Schuldenabbau, sondern ein anderes Wirtschaftssystem“.

"Frei von Schuld(en)“ also. Wird gar nicht so leicht sein, das Festival-Ziel zu erreichen. Vielleicht hilft ja ein Besuch im Schuldvergnügungspark "Entschuldigung" von Julius Deutschbauer, einem „Stationentheater inklusive  Dornenkronenbastelkurs, Scheiterhaufenverkostung und Schulddisco“. Man wir sehen, ob die Veranstalter damit Blasphemie verschulden. Vielleicht erreicht ja dann der Autor und Musiker Peter Licht mit seinem neuen Album das "Ende der Beschwerde". Weiters gastieren in der ARGEkultur die „Hörspielcrew“ oder der DDR-Punk-Altmeister Hans Narva. Auf dem Programm stehen ein Poetry Slam und eine „Pecha Kucha Night“ zum Festivalthema, aber auch ein Workshop in Zusammenarbeit mit mica austria zum Thema "Überleben im Musikbusiness".

„Das österreichische Rechtssystem steht ebenso am Prüfstand wie das europäische Finanzsystem. Traditionsbewusste BüßerInnen können im Sabotage-Beichtstuhl die Absolution erhalten und ihre Sünden am Tatort Arbeitsplatz im ‚Lexikon der Sabotage’ verewigen.“

alt„Sabotage-Beichtstuhl“. Klingt interessant, wo doch das Beichten (samt Gewissenserforschung, Buße, Reue und Vergebung) ziemlich aus der Mode gekommen ist. Das Ganze ist aber eher unspirituell: Bernhard Halmer und Peter A. Krobath haben sich in den letzten Jahren umgehört, was Arbeitnehmer ihren Firmen da und dort für Tort angetan haben. Werksspionage ist gar nicht nötig, um der Firma zu schaden und den Chef zu nerven: Es reicht auch schon, die Comupterkabel durchzuschneiden. Nekrophilie-Fehl-Alarm in der Pathologie auslösen kommt auch nicht gut… Anonymisierte Interviews mit solchen Scherzbolden bilden die Basis für das „Lexikon der Sabotage" - aus dem gelesen werden wird. Und ein neuer „Beichtstuhl“ wartet in einer interaktiven Installation auf Beichtkinder, inklusive Beichtgeheimnis.

Da für das Festival "leider nicht sämtliche Aspekte des Schuld(en) erlasses (Berlusconi, Strauss-Kahn, Wiedereinführung des Fegefeuers) bearbeitet werden konnten", so Grüner und Ahnhaus, gibt es wieder das "Open Mind"-Magazin. Es enthält das detaillierte Programm, sowie Gastbeiträge, die die Themenbereiche vertiefen.

„Open Mind Festival“ von 10. bis 19. November in der ARGE - www.argekultur.at
Bilder: ARGE/Wolfgang Lienbacher/Christof Moderbacher/www.argekultur.at

 

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