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Aus Salzburgs „Judenviertel“

HINTERGRUND / STOLPERSTEINE

21/10/11 129 Gedenksteine wurden bisher in der Stadt Salzburg verlegt, doch kein einziger für ein Opfer, das wegen seiner sexuellen Orientierung verfolgt wurde. Es hat damals ja auch Homosexuelle getroffen – von neun Salzburgern weiß man bisher.

alt„Es mangelt nicht an unserem Respekt, es mangelt vielmehr an Opferfürsorgeakten, weil Homosexuelle in Österreich nicht opferwürdig waren“, erklärt dazu der Historiker Gert Kerschbaumer. „Und es mangelt außerdem an Gerichtsakten“, die als nicht archivwürdig eingestuft und daher vernichtet wurden. Dabei sei diese Opferschicht groß gewesen, „wie sich Schritt für Schritt herausstellt“.

Aus den erhaltenen Registern des Landesgerichts Salzburg aus der NS-Zeit geht hervor, dass 338 Verfahren gegen Frauen und Männer liefen, die der Homosexualität bezichtigt wurden, „gut ein Drittel die Stadt Salzburg betreffend, wie anhand der Polizeimeldekartei im Stadtarchiv festzustellen ist“, so Gert Kerschbaumer. Auf den Meldekarten stehe jedoch oftmals nur der Vermerk „Haft“, „Wehrmacht“ oder „unbekannt“, hin und wieder „KZ“, selten der Todesort. Die Wissenslage ist also schlecht. „Schon jetzt ist gewiss, dass neun Homosexuelle aus der Stadt Salzburg zu Tode kamen, zum Beispiel Johann Gorup im bayerischen Zuchthaus Amberg und Günther Erlbeck im KZ Flossenbürg.“ Letzterer wurde laut Information der KZ-Gedenkstätte bei einem angeblichen „Fluchtversuch“ erschossen.

„Es zeigt sich, dass Betroffene auch ohne Gerichtsverfahren in ein KZ deportiert wurden, zum Beispiel August Strasser, der am 7. Februar 1945 in Mauthausen ermordet wurde.“ Homosexuelle, die der Wehrmacht angehörten, durch die Militärjustiz verfolgt: zum Beispiel Walter Braunwieser, erschossen 1942 auf dem Militärschießplatz in Glanegg.

„Wir werden alle Opfer, sofern bekannt und in der Stadt Salzburg gemeldet, in unser Verzeichnis aufnehmen“, kündigt Kerschbaumer an. Elf Gedenksteine wurden bisher für Zeugen Jehovas verlegt. Zu dem Stein für den Spanienkämpfer Richard Holleis kommen demnächst weitere. 24 Steine gelten Opfern der Euthanasie, darunter den in Wien „Am Spiegelgrund“ ermordeten Kleinkindern Rosemarie Daxer, Anna Pangerl, Regina Turek und Johann Holleis.

„Für widerständige Frauen und Männer aus Salzburg konnten erst fünfzehn Steine verlegt werden, wegen des beschämend geringen Interesses“, so Gert Kerschbaumer. Für viele namentlich bekannte Opfer werden vom Verein „Stolpersteine“ Paten gesucht: 120 Euro kostet eine Patenschaft für einen in den Boden eingelassenen Gedenkstein.

Im Andräviertel gibt es auffallend viele Gedenksteine, und das hat einen Grund: „Das mondäne bürgerliche Viertel wurde insgesamt als ‚Judenviertel‘ bezeichnet, weil gut situierte Juden dort wohnten“, weiß Gert Kerschbaumer. Die gründerzeitlichen Prunkbauten Faber- und Hellerhäuser wurden im antisemitischen Salzburg gar als „Judenhäuser“ bezeichnet. „Die Hellerhäuser gehörten auch unter dem NS-Regime Juden, allerdings Schweizer Staatsbürgern, die nicht enteignet werden konnten.“ Das Foto oben rechts zeigt eine Szene vor dem Faberhaus (Rainerstraße 4 / Franz Josef Straße 1). Anna Pollak, geboren 1873 in Salzburg, musste im November 1938 ihr von der SA verwüstetes Geschäft im Haus (Faberhaus) aufräumen. Daneben stehen Gafferinnen. Die Jüdin ist 1942 in Treblinka umgekommen. Sie ist eines von sieben ermordeten Nazi-Opfern des Hauses.

Heute, Freitag (21.10.) wird Gert Kerschbaumer um 17 Uhr in der academy-bar, Franz-Josef-Straße 4, über die Stolpersteine im Andräviertel und auch über die homosexuellen Opfer sprechen, die dort gewohnt haben. Eintritt frei.

 

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