Endlich anfangen ordentlich zu leben
SALZBURGER HOCHSCHULWOCHE / ABSCHLUSS
09/08/10 „Endlich“, sagen wir gelegentlich erleichtert. Aber damit meinen wir nicht die Endlichkeit und Begrenztheit des Lebens, die bei der Salzburger Hochschulwoche hauptsächlich diskutiert wurde.
Die Hochschulwoche ist am Sonntag (8.8.) zu Ende gegangen. Im traditionellen Festakt in der Großen Aula der Universität Salzburg sprach Gesine Schwan über "Leben angesichts der Endlichkeit" und forderte angesichts der globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts eine neue Kultur der Gemeinsamkeit.
Den Höhepunkt des Festaktes bildete die Festrede von Gesine Schwan. Die Politikwissenschaftlerin war Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder und kandidierte zweimal für die SPD und die Grünen bei der Bundespräsidentenwahl in Deutschland. Endlichkeit, so Schwan, ist eine unausweichliche Erfahrung menschlicher Existenz auf mehreren Ebenen: "Endlichkeit meint nicht nur die Begrenztheit des menschlichen Lebens, sondern auch die moralischen und geistigen Grenzen, die uns Menschen gesetzt sind und die zu missachten ins Unheil führt."
Als Konkretisierung und gleichzeitig als Herzstück einer neuen Kultur der Gemeinsamkeit beschreibt Schwan den dringlich gebotenen ganz anderen Umgang mit Natur, Energie und Klima: "Hier brauchen wir einen Paradigmenwechsel. Eine Kultur der Gemeinsamkeit bedenkt die Endlichkeit unserer Mittel, die Gefahr kurzfristiger Erfolgsorientierung und die verantwortliche Verbundenheit mit den lebenden wie den zukünftigen Generationen." Es geht hier schon lange nicht mehr um die einfache Frage: Wachstum – ja oder nein? Vielmehr darum, "gemeinsam ein bekömmliches Wachstum zu gestalten, das wir schon angesichts der steigenden Weltbevölkerung dringend brauchen. Wir müssen nur dafür sorgen, dass es ein qualitativ verträgliches Wachstum ist." Für Schwan zeigen sich jetzt schon Anknüpfungspunkte dafür: "Dafür müssen wir auch nicht das gesamte System revolutionieren. Die Markwirtschaft ist nicht per se blind für die Belange der Natur und die Bedürfnisse der Menschen nach einem intakten Umfeld."
Der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser hatte in seiner Predigt im Gottesdienst vor dem Festakt auch den positiven Aspekt des Wissens um die Endlichkeit allen Lebens herausgestrichen: "Alles, was der Mensch macht, hat ein Ablaufdatum. Endlichkeit erscheint hier als einseitig negativ und verführt zu einer pessimistischen Haltung, in der Engagement keinen Sinn zu haben scheint." Aber für Kothgasser liegt in der Anerkennung unserer Endlichkeit auch ein hoffnungsvoller Aspekt: "Unsere Endlichkeit ist auch eine Einladung zum Leben. Sie macht die Zeit kostbar und gibt jedem Leben Würde und Einzigartigkeit. 'Endlich!' ist nicht nur ein Mahnwort, sondern auch ein Lockruf, endlich anzufangen, wirklich zu leben." (HSW)