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Sorge tut not, in Weißrussland und in der Ukraine

HINTERGRUND / UNIVERSITÄT MOZARTEUM

23/06/22 Maria Kolesnikowa oder Kalesnikava? Es sind auch die Vokale, die zeigen, ob man in Belarus (Weißrussland) auf der pro-russischen Seite oder auf jener Opposition steht. In der vom Lukaschenko-Regime nicht wohl gelittenen weißrussischen Sprache (wiewohl sehr ähnlich dem Russischen) mutiert das „o“ ja oft zu einem „a“.

Von Reinhard Kriechbaum

Aus den Nachrichten ist der Name Kolesnikowa geläufiger als die Schreibung, die auf die politische Einstellung der Flötistin und Bürgerrechts-Aktivistin schließen lässt. Maria Kalesnikava bekommt eine Ehrenprofessur der Universität Mozarteum – die kann sie sich am Freitag (24. Juni) freilich nicht selbst abholen: Sie wurde im Herbst vergangenen Jahres zu elf Jahren Strafkolonie verurteilt.

Rektorin Elisabeth Gutjahr: „Maria Kalesnikava lebt uns in beeindruckender Weise vor, wie eine künstlerische Persönlichkeit mit Mut und Entschiedenheit sich brutaler Gewalt entgegenstellen kann. Die Freiheit der Kunst begreift sie als Ermutigung, um für gesellschaftliche Freiheit und friedliches Zusammenleben einzustehen. Mit der Verleihung der Ehrenprofessur verneigen wir uns vor dieser Musikerin und Aktivistin.“

Um an Hunderte politische Gefangene in Belarus, aber auch in Russland und weltweit zu erinnern, um uns selbst als Lehrende und Studierende an einer Kunstuniversität daran zu erinnern, dass Kunst und Politik, persönliche und gesellschaftliche Freiheit und der Widerstand gegen ihre Unterdrückung nie als getrennte Themen zu behandeln sind, hat der Senat der Universität Mozarteum Maria Kalesnikava am 11. März 2022 eine Ehrenprofessur verliehen“, erläutert Christoph Lepschy. Er ist Senatsvorsitzender und Professor für Dramaturgie.

Mit der Vorführung des Films Courage, der auch auf der Berlinale zu sehen war, beginnt am kommenden Freitag das langfristig angelegt Projekt Practicing Care der Universität Mozarteum. „Die zahlreichen neuen Protestformen und dezentralen Care-Netzwerke, die in den Aktivitäten der belarussischen Opposition im Jahr 2020 Ausdruck fanden und vorrangig von Frauen angeführt wurden, standen Pate für das Projekt“, erklärt man.

Für eine Kunstuniversität wie das Mozarteum ist Maria Kalesnikava eine Symbolfigur: 1982 in Minsk geboren, studierte Kalesnikava Flöte und Dirigieren an der Staatlichen Musikakademie in Minsk, anschließend Alte und Zeitgenössische Musik an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart. Sie spielte in verschiedenen Ensembles, unterrichtete Musik in Belarus und Deutschland, arbeitete an zahlreichen transnationalen Musikprojekten und wurde 2019 künstlerische Leiterin des Kulturzentrums „OK-16“ in Minsk. In Opposition zum Regime Lukaschenkos hat sich die Musikerin und Pädagogin dazu entschieden, ihre Flöte zeitweilig gegen ein Megafon zu tauschen und sich für freie Wahlen und Frauenrechte in Belarus einzusetzen. Mit den bekannten Folgen. Sie sitzt in Arrest. An Aufmerksamkeit und Ehrerbietung fehlt es nicht im Westen: Vor Kurzem gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen Swetlana Tichanowskaja und Veronica Tsepkalo mit dem Internationalen Karlspreis zu Aachen 2022 ausgezeichnet.

Im Rahmen von Konzerten, Theaterabenden, Lesungen, Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Performances und Filmvorführungen unterstützt „Practicing Care“ Künstler und Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ermutigen und auch Wege aufzeigen, um für demokratische Überzeugungen einzustehen. Die Universität Mozarteum unterstützt sie dabei, jene Plattformen weiterzuentwickeln und nutzen zu können, die derzeit akut gefährdet sind – vom Krieg in der Ukraine und von den repressiven und autoritären Systemen in Belarus, Russland und anderen Ländern.

Am 24. Juni um 20 Uhr wird im Rahmen einer Filmvorführung im Theater im KunstQuartier also der Dokumentarfilm Courage von dem belarussischen Regisseurs Aliaksei Paluyan gezeigt. Im Zuge der Präsidentschaftswahlen in Belarus im Sommer 2020 geraten eine Schauspielerin und zwei Schauspieler eines Underground-Theaters in Minsk in den Sog der Massenproteste. Es zieht sie auf die Straßen von Minsk, um lautstark für Meinungsfreiheit und den lang ersehnten Machtwechsel zu protestieren. Doch die Stimme des Volkes wird vom Sicherheitsapparat des Regimes brutal zerschlagen. Der Filmemacher war hautnah dabei. Er und zwei der Protagonisten sind anwesend. Diese beiden, Maryna Yakubovich und Pavel Haradnizky, halten am 25. und 26. Juni einen Workshop für Mozarteums-Studierende.

Mit einem Artist-in-Residence-Programm, das offen für alle Kunstsparten ein- bis sechsmonatige Aufenthalte mit einer monatlichen, finanziellen Unterstützung sowie einem vollumfänglichen Reisekostenstipendium anbietet, verschafft die Universität Mozarteum Künstlerinnen und Künstlern zudem Zeit, Raum und Ressourcen, um ihre Arbeit und Forschung voranzutreiben und sich mit anderen auszutauschen. Bis 2024 stehen insgesamt 60.000 Euro für Residencies zur Verfügung. Eine erste Artist-in-Residence wird in Kürze der belarussische Musiker und Schriftsteller Ljawon Wolski antreten, der im Rahmen eines zweiwöchigen Workshops gemeinsam mit Studierenden der Universität Mozarteum die Geschichte und Kultur des Protestlieds erarbeiten wird.

Und wie sieht's mit Ukrainischen Flüchtlingen derzeit in der Universität Mozarteum aus? Im laufenden Sommersemester sind 27 ukrainische Studierende (Vertriebene) am Mozarteum gemeldet. Davon 15 Schauspielstudierende, sechs Musikpädagoginnen, eine bildende Künstlerin. Die übrigen studieren Gesang/Musiktheater. Derzeit laufen aber noch Zulassungsprüfungen und es werden für das Wintersemester noch Personen in den unterschiedlichsten Studienrichtungen hinzukommen, heißt es. Auch in die Sommerakademie wurden sechs ukrainische Vertriebene aufgenommen und ihnen die Kursgebühren erlassen.

Der offizielle Berlinale-Trailer und weitere Ausschnitte aus dem Film „Courage“. Filmvorführung und Künstlergespräch am 24. Juni um 20 Uhr im Theater im KunstQuartier – www.moz.ac.at
Bilder: Stills aus den beiden Youtube-Filmen

 

 

 

 

 

 

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