Wo man die freie Szene haben will
HINTERGRUND / STADT / PROBENRÄUME
17/02/21 Ein Thema, das für die freie Kulturszene Salzburgs bis vor einem Jahr noch Causa prima war, ist Pandemie bedingt in den Hintergrund gerückt: Das Projekt Rauchmühle, wo auch Probenräume für die freie Szene hätten entstehen sollen, war politisch versenkt worden. Wo also proben?
Von Reinhard Kriechbaum
Um die Frage, wo freie Gruppen der verschiedensten Kultursparten arbeiten und auch kleinere Veranstaltungen durchführen könnten, ist es sehr still geworden. Schließlich ist die Szene derzeit doch eher mit dem Überleben als mit Produktion beschäftigt. Gestern Dienstag (16.2.) hat aber ein Standard-Beitrag, in dem auch der für Kultur zuständige Vizebürgermeister Bernhard Auinger zitiert wurde, für ein Aufflackern der Diskussion gesorgt. Als erste hat die Initiative 2024 reagiert und nochmal zurecht dem von der Stadt-ÖVP gestoppten Projekt in der Rauchmühle nachgeweint.
Unter dem trefflichen Titel „Trostpflaster statt Leuchtturm für die freie Szene“ hat Thomas Neuhold im Standard den Stand der derzeitigen Diskussion beschrieben: Laut Aussage von Bernhard Auinger sei – von Seiten der SPÖ – geplant, auf den Hannak-Gründen in in Schallmoos ein Probehaus einzurichten. Das solle von der Stadt betrieben werden, wovon freilich erst noch Bürgermeister und Stadt-ÖVP überzeugt werden wollen. Das dürfte angesichts der dort, in der Gewerbe-Pampa, anfallenden geringeren Kosten so schwierig nicht sein. Auinger rechnet mit 500.000 Euro. Bürgermeister Preuner hat das Kulturprojekt in der ehemaligen Rauchmühle gestoppt, weil es 21 Millionen Euro gekostet hätte. Bernhard Auinger, wiewohl Kultur-Verantwortlicher der Stadt, gibt sich finanziell mehr als genügsam.
Der Dachverband Salzburger Kulturstätten, wäre eigentlich erste Anlaufstelle, wenn es darum geht, für die freie Kulturszene Weichen in die richtige Richtung zu stellen. Dort kennt man Auingers Pläne bislang nur vom Hörensagen, eingebunden ist man in die Planung nicht. Auch der Bürgerlisten-Kultursprecher Markus Grüner-Musil, bestens vernetzt in dieser Szene, weiß bisher im Grunde von nichts.
Konkret geht es also um das Hannak-Areal zwischen Bachstraße und Bundschuhstraße, ostwärts außerhalb des Eisenbahn-Bogens etwa auf Höhe der S-Bahnstation Sam. Dort war erst eine groß dimensionierte Wohnanlage geplant. Im Herbst des Vorjahres fiel dann die Entscheidung für ein Quartier aus Büros und Lagerhallen – Produktionsgewerbe gehe dort aus Schallschutzgründen nicht, hieß es. Es wird also ein Areal, an dem sich Menschen eher nur berufsbedingt, also bis 17 oder 18 Uhr aufhalten werden. Nach Feierabend – also im Grunde dann, wenn freie Theater- und Musikgruppen erst zu arbeiten beginnen, ist dort tote Hose. Auch wenn Horst Hannak aus der Familie der Grundstückseigner im Herbst ankündigte, dass entlang der Bundschuhstraße eine „grüne“ Begegnungszone entstehen werde. Bäume pflanzen und Gras säen geht leichter, als Publikum dorthin zu locken. Jedenfalls wären Besucherinnen und Besucher und die Kulturschaffenden selbst dort auf Auto, Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel angewiesen.
Die Stellungnahme der Initiative 2024 (eigentlich gegründet, um Salzburgs Bewerbung als Kulturhauptstadt zu promoten) spricht also gewiss vielen von Platz- und Geldnöten geplagten Kulturschaffenden aus der Seele: Proberäume in einem Industriegelände seien kein adäquater Ersatz für das Projekt eines lebendigen, städtischen Kulturzentrums in der Rauchmühle, heißt es da. „Die Pläne dazu waren weit gediehen, wurden mit allen Beteiligten abgestimmt und lebten stark von der Verzahnung mit den Start-ups, den Kreativwerkstätten.“ Ein entscheidender Punkt wäre die unmittelbare Nähe zwischen Kulturschaffenden und den Bewohnerinnen und Bewohnern im neuen Wohnviertel zwischen Guggenmoosstraße und Münchner Bundesstraße gewesen.
„Eine Halle mitten in einem menschenleeren Gewerbegebiet in der Vorstadt ohne umgebende Infrastruktur wie Wohnungen, Schulen, Betriebe“ sei jedenfalls kein gleichwertiger Ersatz, heißt es in der Stellungnahme, denn es gehe vor allem um“ die Etablierung von Kultur im Alltag der Menschen dieser Stadt“. Dafür gelte es die richtigen Orte zu finden beziehungsweise „intensiver, gemischter und integrierter zu bespielen“.
Auch Bürgerlisten-Kultursprecher Markus Grüner-Musil sieht das Wenige, das bis jetzt laut wurde, kritisch. Die Pläne für ein Probenhaus am Hannak-Gelände entsprächen „nicht einmal ansatzweise die Ideen und Synergien des Kreativzentrums Rauchmühle“. Und eilig scheint es die Stadt auch nicht zu haben: Frühestens 2024 könnte es an der Bachstraße so weit sein.
Sollte tatsächlich ein Gebäude mit Probenräumen auf den Hannak-Gründen eingerichtet werden, ist die freie Kultur jedenfalls weit vom Schuss und außerhalb der Wahrnehmungsgrenze von der Stadt aus. Ein Schelm, der argwöhnt, dass die Politik die Kulturschaffenden genau dort haben möchte.
Ein Fallbeispiel für die Methode „aus dem Auge, aus dem Sinn“ gibt es ja schon, das seit vielen Jahren ein Stück weiter nordwärts beheimatete Jugendzentrum Mark. Man macht dort gute Kulturarbeit für die Zielgruppe, aber eben auf einer einsamen Insel. Wer findet das Mark, ohne Google Maps zu Hilfe zu nehmen? Gegen eine solche als städtisches Angebot an die Kultur getarnte Auslagerung ins Nirvana sollte sich die Szene jedenfalls beizeiten und entschieden zur Wehr setzen.