Die Werbung macht den Kaffeesud
HINTERGRUND / FORSCHUNG
21/09/17 In Sachen Kaffee kann man Sonja Molnar nichts vormachen. Ihr Dissertationsthema an der Universität Salzburg war die Kaffeewerbung. In welchem Fachbereich widmet man sich einem solchen Thema? Die Linguistik im Fach Anglistik und Amerikanistik hat es ihr angetan.
Es ist ein riesiges und in seiner Art einzigartiges Korpus, das Sonja Molnar in Archiven in Großbritannien und Australien für ihr Dissertationsprojekt zum Textsortenwandel in der Werbung kompiliert hat. Mehr als 3000 englische, amerikanische und australische Werbetexte aus der Mitte des 17. Jahrhunderts bis 2016 hat die junge Wissenschafterin dokumentiert. Bisher gab es weder eine derart umfassende Materialsammlung noch diachrone Untersuchungen zu sprachlichen und text-gestalterischen Veränderungen in der englischsprachigen Printwerbung über einen Zeitraum von fast vierhundert Jahren.
„Die Printwerbung beginnt, historisch betrachtet, zwar im Zeitalter von Gutenberg Ende des 15. Jahrhunderts“, erklärt Sonja Molnar. „So richtig interessant wird sie aber erst im 17. Jahrhundert mit dem Aufkommen von Zeitungen und 'Trade cards', eine Art Vorläufer der heutigen Flyer.“ Die älteste Kaffeewerbung datiert von 1652 und 1657. „Diese Werbung wurde von einem Mann namens Pasqua Rosée publiziert, um das Kaffeetrinken und sein Kaffeehaus, das erste in London, zu bewerben.“
„Bilder haben die Sprache sukzessive zurückgedrängt“, findet die Wissenschafterin bestätigt. „Das sieht man an der Kaffeewerbung genauso wie bei anderen Produkten. Die Texte werden immer kürzer, spielerischer, offener, humorvoller. Die Kaffeewerbungen aus dem 17. Jahrhundert, in denen das Produkt wortreich als gesundheitsförderndes Wundermittel für betuchte Gentlemen angepriesen wird, haben wenig mit den heutigen oft minimalistischen Image-Werbungen für Kaffee gemein, die zuweilen fast ganz ohne Text auskommen.“
Der Siegeszug des dunklen anregenden Gebräus aus der arabischen Welt in Europa, Amerika und Australien ist eng mit dessen Vermarktung in der Werbung verknüpft. Anfangs war Tee, das exotische Heißgetränk aus China, viel beliebter. Bis zum späten 18. Jahrhundert hatte sich „Bohea Tee“ als Getränk der Massen durchgesetzt, auch weil es als gut für die Gesundheit verkauft wurde. „Bohea Tee ist die neueste Kur für Schwindsucht, Magenbeschwerden und alle weiteren Verfälle des Körpers; ist heilend für die Lungen und tut weit mehr für Kranke als jede andere Medizin“, hieß es zum Beispiel in einer Werbung von 1721. Unangenehm war allerdings der hohe Preis, den man für das Getränk aus dem fernen Osten bezahlen musste.
Da ist es auch nicht überraschend, dass Zollerhöhungen in den englischen Kolonien in Amerika auf große Ablehnung stießen. Zu der Zeit begann der eigentliche Siegeszug des Kaffees.
An der Kaffeewerbung wird deutlich sichtbar, was für die Werbung generell gilt: Sie ist gesellschaftlich, wirtschaftlich, politisch geprägt. Umgekehrt beeinflusst sie wieder das Denken und Verhalten der Gesellschaft. In der Zeit der Amerikanischen Revolution, die 1776 in der Unabhängigkeitserklärung der 13 amerikanischen Kolonien von der britischen Krone gipfelte, wurde in Amerika zum Beispiel Kaffee als patriotisches Gut gehypet, als Gegenstück zum Tee, der im verhassten britischen Mutterland viel getrunken wird.
Doch woher kommt das Interesse der 29jährigen gebürtigen Vöcklabruckerin an Werbung? Es gehe schon auf die Schulzeit zurück, und zwar auf den Marketingunterricht an der HAK, sagt Molnar. „Seitdem schaue ich gebannt hin, wenn Werbung im Fernsehen läuft. Mich interessiert, wie ein Produkt verkauft wird.“ Internationales Marketing war dann auch ein Schwerpunkt in ihrem Anglistikstudium, das sie auch an die Ohio University führte.
Parallel zum Studium hat die Jungforscherin, die fünf lebende Sprachen spricht, als Marketingassistentin in einem internationalen Konzern gearbeitet. In Hartmut Stöckl fand Molnar den idealen Doktorvater, ist der Professor für Englische und Angewandte Sprachwissenschaft am Fachbereich Anglistik und Amerikanistik doch schon lange Zeit in der Werbeforschung tätig und international renommiert.
Hat es in Molnars aufwändiger Recherche-Arbeit auch ein besonderes Highlight gegeben? „Ja, das bezieht sich aber nicht auf die Kaffee- sondern auf die Autowerbung: Ich habe in einer Zeitung eine Autowerbung entdeckt, die hundert Jahre älter ist als die bisher bekannte erste Autowerbung aus dem Jahr 1840. Schon 1742 wurde für eine „fahrende Kutsche ohne Pferde“, ein „travelling chase without horses“, wie es dort heißt, geworben. Als ich das entdeckt habe, habe ich mich wirklich sehr gefreut.“ (Universität Salzburg)