Im „Käfig an der Glan“ und anderswo
HINTERGRUND / SALZBURG-STADT / JUGENDSTUDIE
09/11/16 Die Sozialarbeiter von „Streusalz“ haben sich unter Salzburger Jugendlichen umgehört und eine Studie erarbeitet: eine „sozialräumliche Lebensweltanalyse“ mit dem optimistisch stimmenden Titel „Salzburg in deiner Hand!“.
Von Reinhard Kriechbaum
„Uns Erwachsenen steht es gut an, bestimmte Stadtteile nicht runterzureden“, sagte Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer heute Mittwoch (9.11.) bei der Präsentation der Studie. Denn, durchaus zum Erstaunen: Die Jugendlichen fühlen sich wohl in Salzburg, gerade auch in Stadtteilen wie Itzling, Lehen und Taxham. Also in Gebieten, die nicht den allerbesten Ruf genießen. „75 Prozent der Jugendlichen leben gerne in ihren Stadtteilen. Sie schätzen vor allem das soziale Miteinander, die freien und grünen Flächen. Weniger gefallen soziale Spannungen oder Konflikte. Hier sind vor allem auch Auseinandersetzungen mit Erwachsenen bzw. von Erwachsenen unter sich gemeint“, weiß die städtische Jugendbeauftragte Isabel Bojanovsky.
Die Zahl der befragten Jugendlichen – zweihundert – mag nicht so groß und repräsentativ erscheinen, aber als Stimmungsbilder taugen die Ergebnisse vermutlich. In der Studie wurde speziell nach den Wünschen hinsichtlich der Freizeitaktivitäten und sehr konkret nach den Erfahrungen mit Aufenthaltsräumen gefragt. Wenig überraschendes Ergebnis: Jugendliche fühlen sich in „inoffiziellen“ Räumen, wo sie unter sich sind, am wohlsten. Und solche finden sich, vom Veronaplatz (Itzling) bis zum Jugendspielplatz Wallnergasse (Lehen), vom „Käfig an der Glan“ (Maxglan) bis zum „Red Bull Käfig“ (Taxham) in bemerkenswerter Zahl. Stabile Gitter um die Plätze scheinen die Betroffenen weniger zu irritieren als jene, die von draußen hinein schauen.
Was Anja Hagenauer als Politikerin, Isabel Bojanowsky als Jugendbeauftragte der Stadt und Sabine Stadler als AK-Jugendreferentin berichten, klingt insgesamt wenig dramatisch, obwohl sechzig oder siebzig Prozent der jungen „Streusalz“-Kundschaft Migrationshintergrund hat und daheim (auch in zweiter oder dritter Generation) noch eine andere Sprache spricht als Deutsch.
Wie die Studie zeigt, sind sich die Jugendlichen bewusst, dass ein selbständiges Leben ohne Job nicht möglich ist. Dazu gehören – vor allem für die männlichen Befragten – Statussymbole: Auto, Kleidung, Karriere. „Diese Tendenz spiegelt sich in der Berufswahl wider“, weiß AK-Jugendbeauftragte Sabine Stadler. „Junge Männer suchen vor allem Arbeitsplätze mit guten Verdienstmöglichkeiten.“
Im Gegensatz dazu entscheiden sich die jungen Salzburgerinnen eher für Branchen mit geringeren Löhnen (Einzelhandel, Friseurin etc.). „Die traditionelle Berufswahl führt zu erheblichen Einkommensnachteilen, wie der AK-Jugendmonitor zeigt – unsere jährliche Analyse von Leben und Arbeit 15- bis 25-Jähriger in Salzburg“, betont AK-Direktor Gerhard Schmidt. „Aus diesem Grund möchten wir Jugendliche unterstützen, die sich für nicht-klassische Berufe entscheiden. Das machen wir zum Beispiel, indem wir junge Frauen in männlich dominierten Berufsfeldern am Weg zum Lehrabschluss begleiten. Unsere Jugend ist unsere Zukunft. Umso mehr müssen wir darauf achten, dass jungen Menschen alle Türen für ein gesichertes Leben offen stehen.“
„Freizeit ist für Jugendliche eine wichtige Möglichkeit für die Ausbildung einer eigenen Identität in ständigem Wechselspiel mit den gesellschaftlichen Normen, Werten und Moralvorstellungen“, hält AK-Jugendreferentin Sabine Stadler fest. Haben Salzburgs Jugendliche genug freie Zeit? Mit dem Ausmaß an zur Verfügung stehender Freizeit sind 40 Prozent der Befragten zufrieden. Jeder Vierte spricht allerdings von zu wenig bzw. gar keiner Freizeit. „Diese Zahl lässt darauf schließen, dass Jugendliche immer häufiger neben ihrer Ausbildung arbeiten“, sagt Stadler. „20 Prozent der Befragten geben an, dass sie mit ihrem Geld nicht über die Runden kommen. Mit kleinen Jobs verdienen sich die jungen Salzburger etwas dazu.“ So überrascht es kaum, dass einer von fünf geringfügig Beschäftigten unter 25 Jahre alt ist.
Betrachtet man die Affinitäten, Interessen und Hobbys der jungen Salzburgerinnen und Salzburger, stehen sportliche Aktivitäten (70,6 Prozent) und das soziale Miteinander (ein Drittel) ganz oben auf der Prioritätenliste. „Das Thema Sport hat einen sehr hohen Stellenwert in der Jugendszene. Sport dient als Spielwiese, wo Jugendliche ihre Grenzen ausloten, sich in eine Gruppe einfügen oder einfach Dampf ablassen können“, erklärt Stadler. Freundinnen und Freunde treffen oder mit ihnen etwas unternehmen gehörten ebenfalls zu den meistgenannten Freizeitaktivitäten. Dies zeige sich auch bei den Besonderheiten der Lieblingstreffpunkte: Orte zum Verweilen und Chillen sind ganz klar vorne (53 Prozent). Orte zum Sporteln (18 Prozent) und die Grünflächen (8 Prozent) kommen gleich dahinter.
Bei der Präsentation der Studie erinnerte Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer auch an die Maßnahmen in der Stadt gegen Rechtsradikalismus („88 gegen rechts“) oder gegen islamische Radikalisierung. Zuletzt hat man rund dreißig unbegleitete junge Flüchtlinge in einer Workshop-Reihe ans Leben hierzulande herangeführt. „Zeigen, wo's lang geht“, beschreibt das Anja Hagenauer. Insgesamt erreiche man mit den „Streusalz“-Angeboten und weiteren Offerten für Jugendlich (das reicht bis zum Sommerkino und dem „Salzbeach“) rund dreißig Prozent der Salzburger Jugendlichen, heißt es. Das wäre, wenn's wahr ist, nicht wenig.