Innsbruck als – schlechtes – Beispiel
GASTKOMMENTAR
24/10/13 Vor wenigen Tagen hat es wieder einen kleinen Schlagabtausch gegeben zwischen der Stadt-ÖVP und Bürgermeister Schaden (SPÖ) in Sachen Salzburg Biennale. Martin Mumelter, Professor für Violine und Leiter des Instituts für Neue Musik an der Universität Mozarteum Salzburg, zeigt am Beispiel Innsbruck, wie schnell gute Initiativen auch wieder versanden.
Von Martin Mumelter
Als gebürtiger Innsbrucker kann ich einige warnende Beispiele in Erinnerung rufen. Zu Zeiten von Karl Kraus war Innsbruck kurze Zeit eine Art literarischer Weltstadt, durch den Kreis um die Zeitschrift „Der Brenner“, die unter anderem den jungen Georg Trakl massiv förderte und eine Vielzahl weiterer bedeutender Autoren um sich sammelte.
Man versäumte, das fortzusetzen.
Viel später gab es das jährliche Festival „Jugendkulturwoche“, bei dem noch junge Komponisten wie Friedrich Cerha, Luigi Nono, Gerhard Rühm, Gerhard Wimberger und Schriftsteller wie Ernst Jandl, Thomas Bernhard, Ingeborg Bachmann und viele andere mit Uraufführungen und Lesungen persönlich zu erleben waren. Die aus dem Festival folgenden Impulse bereicherten das Bewusstsein und Veranstaltungsleben der Stadt durch neunzehn Jahre hindurch. Ein inzwischen gründlich vergessener Lokalpolitiker fühlte sich eines Tages durch einen Text von Rühm beleidigt und erwirkte die Einstellung des Festivals - mit verheerenden Folgen.
Auf dem Gebiet der Alten Musik war Innsbruck einst ebenfalls Avantgarde, man hörte dort Nikolaus Harnoncourt bereits regelmäßig, als er anderswo noch als Kauz abgetan wurde, und das ist nur ein Beispiel für viele. Heute ist Innsbrucks Szene der Alten Musik nur noch eine unter vielen.
Im nahen Hall fand das erste Konzert des jungen Alban-Berg-Quartetts und der letzte öffentliche Auftritt von John Cage statt, in persönlichen Begegnungen konnte man Ligeti, Stockhausen, Steve Reich, Terry Riley oder Meredith Monk in Zeiten kennen lernen als große Städte noch selten ihre Bedeutung wahrnahmen. Heute ist nur noch wenig von solchem Geist zu bemerken.
Innsbruck hat heute wieder, trotz alter Universität und beachtlicher Kultur, mit der Etikettierung als bloße Sportstadt zu kämpfen wie Salzburg mit dem Etikett der Mozartkugeln. Weder Festspiele noch Mozartwoche sind, bei aller Würdigung ihrer Verdienste um die Moderne, ein ausreichendes Gegengewicht. Wenn Salzburg die Warnlichter nicht sieht und seine Biennale in ihrem Wert verkennt, ist der Stadt nicht zu helfen.