asdf
 

Eine Frage von Stil und Kultur

KOMMENTAR

altVon Reinhard Kriechbaum

12/02/13 Der Papst tritt zurück. Aufatmen bei denen, für die Benedikt XVI. ohnedies bloß ein als Gottesmann verkleideter Gottseibeiuns des Ultrakonservatismus war, mit ewiggestrigen Ansichten in Sachen Frauenpriestertum, Homo-Ehe und Tridentinischer Liturgie.

Wohlwollende Gemüter räumen ein, dass der Rücktritt ein ziemlich moderner Schritt ist: ein Zeichen für ein Amtsverständnis, das nicht auf das Sich-Fügen in ein vermeintlich von oben auferlegtes Schicksal baut, sondern hinzielt auf ein Papsttum mit Führungsqualitäten und Optionen auf aktives Handeln.

Wir haben noch die Bilder aus den letzten Lebensjahren von Benedikts Vorgänger vor den Augen. Vollgepumpt mit Medikamenten, gezerrt und geschoben, mühsamst von anderen vorbereitete Reden verlesend – die Auftritte Johannes Pauls II. haben verdächtig an den Umgang kommunistischer Regimes mit ihren jeweiligen dem Ende zusteuernden Potentaten erinnert. Personenkult als Halbleichenschau. Ein unwürdiges, letztlich menschenverachtendes Spektakel.

Benedikt XVI. hat Stil. Er will nicht enden wie Breschnjew oder Fidel Castro. Und schon gar nicht wie Johannes Paul II. Sein Stilbewusstsein zeigt sich nicht nur in den feinst-ledernen roten Pontifikalschuhen und den Bischofshüten, die unsereiner eigentlich nur noch von in Stein gemeißelten Bischofswappen kannte. Kein Inhaber des Stuhles Petri hat in den vergangenen sechzig Jahren diese Hüte mit solcher Eleganz und Selbstverständlichkeit aufgesetzt wie der Ratzinger-Papst. Da hätte er doch glatt mit der Queen bei den Pferderennen von Ascot konkurrieren können.

Ein Papst mit Stil. Als solcher wird er gewiss in die Geschichte eingehen. Stil stand seit Johannes XXIII. nicht gar hoch in Kurs. Die Tiara (die päpstliche Krone) wieder aus der Tresor-Vitrine holen zu lassen, das hat Ratzinger sich dann doch nicht getraut. Als hochrangiger Theologe war und ist Benedikt XVI. all jenen suspekt, die in den nachkonziliaren Theologie-Fakultäten mit dem alles einebnenden Pastoral-Virus infiziert worden sind. Menschen dort abholen, wo sie stehen, ist die Maxime – und sei der Level noch so tief. Bloß sich nicht intellektuell ummänteln! Bloß nicht als „elitär“ auffällig werden!

Muss, soll, darf der Papst also vor allem Vorbeter der katholischen Welt sein? Josef Ratzinger/Benedikt XVI. hat da, mit Gefühl für Form, Ritus und Kultur, einen anderen Maßstab, einen anderen Denkansatz vorgegeben. Die neue Wertschätzung der lateinischen Sprache als abendländische Kultursprache schlechthin ist nur ein Aspekt. Benedikt XVI. hat da mehr getan als bloß die Tridentinische Messe wieder zugelassen (dass er sich damit die judenfeindliche Karfreitags-Fürbitte eingehandelt hat, ist ein Kollateralschaden, den zu relativieren kräftiges päpstliches Gegenrudern nötig war).

Gerne hat sich der aus Bayern stammende Papst Mozart-Messen vorspielen lassen. Auch das ein Korrektiv: Wer im letzten halben Jahrhundert Kirchenmusik bei Papstmessen in Rom und anderen Ländern verfolgte, der weiß, was gelebte Kulturlosigkeit ist. Benedikt XVI. hat als Papst kräftig gegengesteuert. Kirche soll und darf nicht nur mit frommer Denkungsart zu tun haben, Kulturbewusstsein und hochrangige theologische Auseinandersetzung sind entscheidender. Schließlich geht es darum, sich an einer pluralistischen Gesellschaft mit anderen Weltreligionen, mit Philosophien, Ideologien und Zeitgeistereien unterschiedlichster Art zu messen. Da ist ökumenisches Beten allein viel zu wenig. Erst braucht es eine gründlich diskutierte kulturelle Basis, theologisch ordentlich gesetzte Haltegriffe – nur dann können unterschiedliche Lebens-Systeme vernünftig diskutiert und gegeneinander abgewogen werden. Das ist letztlich die einzige (Über-)Lebens-Strategie für die Kirche.

Also schauen wir einmal, wie es der nächste Papst hält. Mit Pontifikalschuhen, Bischofshüten und theologischen Argumenten. Würde es ein Papst aus Afrika, dann wäre dessen Umgang mit der Kultur doppelt spannend.

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014