Supergau
KOMMENTAR
Von Reinhard Kriechbaum
28/10/19 Als älterem Kulturjournalisten fällt einem natürlich der Film Und täglich grüßt das Murmeltier ein. Täglich zwar nicht, aber das Mankei ist typisch für Salzburgs Bergwelt. Wieder einmal also eine Kulturinitiative, mit der „das Monopol der Stadt“ aufgelöst und „das Land als Raum für eine andere zeitgenössische Kunst und Kultur“ entdeckt werden soll.
Echt witzig ist diesmal der Titel: Supergau. Das muss einem erst einfallen. „Supergau ist eine Herausforderung für alle Beteiligten, birgt es doch durchaus Potenziale des Scheiterns“, so Tina Heine, die gemeinsam mit Theo Deutinger die künftige biennale Vorzeige-Landkulturerweckung künstlerisch verantwortet. „Es ist ein künstlerisches und soziales Experiment“, erklärte Tina Heine in einem Pressegespräch heute Montag (28.10.).
Sinnvoll ist es allemal, Förderschienen, die sich zum Teil überlebt haben, aufzulösen. Gut, wenn Geld gebündelt, sogar vermehrt wird – 480.000 Euro sind kein Pappenstiel. Im konkreten Fall hat man Mittel, die bisher für Wahre Landschaft und Podium sowie das zwar an Jahren traditionsreiche, aber wenig strahlkräftige Symposium ORTung zur Verfügung gestellt wurden, zusammengeführt.
Auch größerräumig gedachte Wettbewerbe – Wahre Landschaft war und ist nur eine Schiene – bringen letztlich Jahr für Jahr Einreichungen derselben „üblichen Verdächtigen“. Achtet man auch nur ein klein wenig auf Qualität, so müssten die Juroren eigentlich immer wieder auf dieselben Namen stoßen, dieselben kreativen Geister wählen. Oder man steht mit trotzigem Fördermut zum Mediokren. Im erst dieser Tage veröffentlichten Jury-Entscheid zum diesjährigen Landespreis für kulturelle Bildung war greifbar, wie wenig Auswahl für die Jury bestand an ernsthaft Förder-Würdigem (von Innovationsgeist ganz zu schweigen).
Da könnte der Supergau vielleicht weiter helfen, denn wenn sich zwei Leute sich die künstlerische Leitung teilen, die nicht selbst in der lokal/regionalen Suppe weichgekocht wurden, könnte das auch inspirierend sein für Künstlerinnen und Künstler in der Region. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Noch ist es viel zu früh, um irgend etwas vorher zu sagen.
Im Flachgau geht es jedenfalls los. Von dort fährt man zwar zum Einkaufen jederzeit in den Europark und natürlich ins Cineplexx – warum die zeitgenössische regionale Kultur in Zeiten flächendeckender Mobilität gerade im Halb-Umkreis von dreißig Kilometern von der Stadt Salzburg als erstes wachgekitzelt werden soll, ist eine der verbotenen Fragen: Man handelt sich als Bewohner der „Metropole“ (eine Landeshauptstadt ohnedies mit Tendenz zum Spielzeugformat) schnell den Vorwurf ein, ein Zentrums-Kulturchauvinist zu sein. Ein besseres Signal wäre aber schon gewesen, mit dem Pinzgau oder dem Lungau zu beginnen.