Was ist dran am Kulturentwicklungsplan?
GASTKOMMENTAR
Von Karl Zechenter
08/11/16 Kein großes Versteckspiel, liebe Leser und Leserinnen. Dieser Text ist ein Veranstaltungshinweis. Es geht um die andere große Veranstaltung, die uns den heutigen 8. November mit Spannung erwarten lässt: Während die einen mit erschreckter Faszination auf das Fernduell Clinton vs. Trump blicken, schaut Salzburg erwartungsvoll auf die Diskussion zum „Kulturentwicklungsplan Salzburg“ in der ARGEkultur, (Di, 8.11., 19 Uhr).
Das ist ein aufgelegter Witz, hat aber einen wahren Kern: Der Begriff Kultur schwirrt durch die Debatten – als „Leitkultur“, Weltkulturerbe, kulturelle Kämpfe oder interkulturelle Bildung. Wo Kultur uns als Thema so allgegenwärtig begleitet, ist es erstaunlich wie wenig tatsächlich fundiertes Gespräch es dazu gibt. Abhilfe schafft dazu eine Diskussion mit Experten und Expertinnen in der ARGEkultur (Einzelheiten dazu am Ende des Textes).
Kulturlandesrat Schellhorn hat für das Land Salzburg einen Kulturentwicklungsplan (KEP) in Auftrag gegeben,. Einige Jahre hatte u.a. der Landeskulturbeirat dafür Lobbying betrieben. Da das Land Salzburg sich seit langem auf Plakaten als „Kulturland Salzburg“ inszeniert, ist es verwunderlich, dass es bislang dazu keine genaueren Vorstellungen gab. Bedenkt man die Situation des Landesbudget, in der nur 0,17 Prozent der Ausgaben der freien, zeitgenössischen Kulturförderung zugute kommen, wünscht man sich zuerst mehr Geld für die Produktion an sich und nicht unbedingt für die bürokratische Lenkung, doch das ist zu kurz gedacht.
Denn die Situation in Salzburg ist paradox: Man hat mit Kultur zugleich viel und sehr wenig Erfahrung. Der Kulturtourismus taucht bereits in den 1880er Jahren in der Presse als wirtschaftlicher Faktor auf. Die Festspiele stellen schließlich das Erfolgsmodell dar: Künstlerische Produktion kommt von außen in wirtschaftlich vertretbarem Ausmaß in das kleine Land. Der Tourismus definiert die Kultur: Alles was an Alltagskultur und Bräuchen ausreichend vermarktbar ist, ist zwischen Heimatabenden und Sound Of Music kanonisiert und in unveränderliche Form gegossen. Der Rest ist Schweigen, und dann Mozart. Es dauert bis in die 1980er Jahre, bis freie, zeitgenössische Kunst in der Stadt Salzburg Fuß fasst, im Land Salzburg dauert der Aufbau nach wie vor an.
Debatten über Hoch- und Alternativkultur oder einzelne Institutionen führen an der wesentliche Frage vorbei: Wie halten wir's mit der zeitgenössischen Kultur? Denn genau damit tut sich Salzburg, als Experte im Vermarkten von Kunst und Kultur schwer. Wo Kultur so sehr Teil eines touristischen Images ist, ist die Aussicht auf die eigentliche Wirkung von zeitgenössischer Kunst verschüttet. Was fehlt, ist die Erkenntnis, dass diese Kultur uns einen Spielraum eröffnet: in der Kunst, die sich mit Fragen unserer Zeit in unserer heutigen Sprache, Bildern und Stimmen auseinandersetzt, uns dient, um unseren Alltag zu reflektieren, zu verstehen, zu verarbeiten. Darum ist im Übrigen auch die Förderung aktueller Kunstproduktion so wichtig.
Der Kulturentwicklungsplan kann ein Startpunkt sein, um zu verstehen, wie wir das Potenzial von zeitgenössischer Kunst besser nützen können und Vorstellungen von Kunst als ehrfurchtgebietendes Zeremoniell abbauen können. So gesehen ist das Geld gut investiert. Finanzielle Mittel helfen aber nichts, wenn die Ideen nicht bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen. Hier sind wir angehalten, uns zu beteiligen. Wir sollten überlegen, wie Kultur in Salzburg in Zukunft gedacht wird und welche Freiräume entstehen können. So sind diese Gedanken an dieser Stelle mehr als ein Veranstaltungshinweis, sie sind ein Aufruf zur Beteiligung. Machen Sie mit, diskutieren Sie mit und planen Sie selbst an der kulturellen Entwicklung von Salzburg mit.