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Kulturhauptstadt 2024?

STICH-WORT

11/02/16 Mit weit geöffneten Augen sehen wir das rechtslastige Erstarken des Nationalstaatsgedankens. Und wir erleben, wie sogar im etwas euphemisch „Zentraleuropa“ genannten EU-Binnenraum Grenzzäune errichtet werden. Was tun da Optimisten? Sie denken über die Europäische Kulturhauptstadt 2024 nach.

Von Reinhard Kriechbaum

Auch im Dachverband Salzburger Kulturstättgen gibt es solch positiv eingestellte Zukunftsblicker. Man hat dort Literaturhaus-Leiter Tomas Friedmann zum „Kulturhauptstadt-Beauftragten“ gemacht. Salzburg sei in erster Linie eine Kultur- und Wissensstadt. Als Mozarts Geburtsort habe man einen Tourismusvorteil, von dem die Festspiele und viele Aktivitäten bis heute profitierten. Als Kongress-Stadt genieße man einen Standortvorteil. Trotzdem, so Friedmann, dürfe man sich nicht bequem zurücklehnen und auf dem Image Sound of Music ausruhen. „Wir wünschen uns eine breite Diskussion von Kunst über Soziales bis Verkehr und Wirtschaft, wohin sich die Region Salzburg Richtung 2050 entwickeln soll – mit Einbeziehung kritischer Stimmen aus der Zivilgesellschaft, der freien Szene, engagierter BürgerInnen aus allen Bereichen der Gesellschaft.“

Wollen wir also davon ausgehen, dass es bis 2014 noch die EU gibt und dass diese dann auch noch über die nötigen Mittel verfügt, um die Usance von Europäischen Kulturhauptstädten weiter zu führen. Auch „Kulturhauptstädte“ lassen zweckgebundene Geldmittel fließen (deshalb ist eine solche Ehre auch sehr von Interesse für die Freie Kulturszene).

Pessimistisch muss einen stimmen, dass es den Kulturhauptstadt-Gedanken schon seit über drei Jahrzehnten gibt (die erste war Athen, 1985). Bis 1999 hieß der Titel übrigens noch bescheidener, aber realitätsnäher „Kulturstadt Europas“. Für die gerade amtierenden Orte, San Sebastian in Spanien und Breslau in Polen, erschiene das Wort „Kulturstadt“ durchaus ausreichend.

Alle Bemühungen über drei Jahrzehnte haben, wie man jetzt sieht, gegen den Zeitgeist und für ein tieferes Kultur-Verständnis Europas wenig ausrichten können: Mit der Solidargemeinschaft ist es nicht weit her in der EU und in Warschau oder Budapest denkt man nach wie vor sehr anders über Europa als „Kulturraum“ als in Lissabon, Madrid oder Paris.

Wie auch immer: Österreich darf 2024 wieder eine „Kulturhauptstadt“ beisteuern. Gemeinsam mit Estland. Tallin war schon dran. Fällt jemandem auf die Schnelle eine zweite estnische Stadt ein, die man mit Salzburg in einem Kultur-Atemzug nennen wollte?

Über Salzburg sollte man trotzdem nachdenken, meint der Dachverband Salzburger Kulturstätten in einer Aussendung gestern Mittwoch (10.2.): „In Salzburg wurde eine mögliche Bewerbung erstmals im März 2014 vom damaligen Vorsitzenden Tomas Friedman thematisiert, danach gab es an der Universität Salzburg im Kooperationsschwerpunkt Wissenschaft & Kunst eine Lehrveranstaltung und das Symposium 'Alles Mozart, oder was?' sowie Artikel, Gespräche und zuletzt Ende Oktober 2015 das Kulturfrühstück 'Kulturhauptstadt 2024' – stets mit Beteiligung der Vertretung der freien Salzburger Kulturszene.“

Für den Dachverband gehe es nun darum, einen Prozess zu starten, aus dem – bei entsprechender Unterstützung aus Politik, Wirtschaft und Bevölkerung – eine Bewerbung der Region Salzburg (eventuell grenzüberschreitend in den südbayerischen Raum oder mit dem Salzkammergut) entstehen könne. „Wir wollen einen Diskurs in Gang bringen, wie sich Salzburg in den nächsten Jahrzehnten kulturell-zeitgenössisch positionieren soll“, so Tomas Friedmann. „Dabei geht es uns vorrangig nicht um Hardware, also neue Bauten, sondern um die Software, wie die Bevölkerung in Zukunft zusammenleben kann: sozial, solidarisch, umweltfreundlich, leistbar usw. mit Zugang zu Bildung und Gegenwartskunst.“

Im April 2016 wird im Unipark Nonntal die Wanderausstellung „Kulturhauptstadt 2024“ eröffnet. Zuvor lädt der Dachverband zu zwei Diskussionsrunden - Mitte Februar mit Vertretern aus Bildung, Kultur, Soziales  und Anfang März mit Leuten aus Wirtschaft, Politik oder Tourismus.
Der erste Termin ist am Mittwoch (17.2.) von 10 bis 11.30 Uhr in der Robert Jungk Bibliothek für Zukunftsfragen (Strubergasse 18/II). Es diskutieren Elisabeth Leitner (Wissenschafterin, Forschungsschwerpunkt Stadt und Event, Städtebau und Landschaftsarchitektur sowie Initiatorin von www.kulturhauptstadt2024.at), Ursula Spannberger (Architektin und Mediatorin), Gerbert Schwaighofer (Direktor des Kooperationsschwerpunkts Wissenschaft und Kunst der Universitäten Salzburg und  Mozarteum), Stefan Wally (Politikwissenschafter und Forscher, Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen) und Tomas Friedmann (Leiter des Literaturhauses Salzburg und Kulturhauptstadt-Beauftragter des Dachverbands Salzburger Kulturstätten) - kultur.or.at
Bild: dpk-krie

 

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