Da gibt es ja eine Regel!
STICH-WORT
05/04/16 Die Teilnehmerin freut sich auf den Kurs: „Immer habe gearbeitet, meine Tochter jetzt studiert sie Architektur in Wien. Korrigiert mich, aber nicht immer.“ Die Kinder sollen es nämlich immer besser haben, sagen die TeilnehmerInnen 40+ in jenen Kursen, die sie auf AMS-Schulungsmaßnahmen vorbereiten.
Christina Repolust
Die Deutschkenntnisse werden hier aufgemöbelt. Die reichten immer zum „Durchkommen“, „Sich-Durch-Kämpfen“. Sie reichten dafür aus, die Kinder auch alleine mit Schichtarbeit großzuziehen.
Jetzt betrachtet die Teilnehmerin staunend, dass der Satz „Die Bluse ist weiß“ korrekt ist, ebenso wie der Satz „Auf der Bluse ist ein Fleck“ nicht falsch ist. Aha, die Bluse, der Bluse, der Bluse, die Bluse. „Das hat ja eine Regel. Gibt es die schon lange? Wenn ich die gewusst hätte, weniger Fehler!“
Nun ist diese Regel gerade nicht das große Geheimnis, natürlich könnte man das Deklinieren auch zu Hause üben, hätte man die Regel auch erkennen können. Aber da war ja noch die Sache mit dem kleinen Kind, der Schichtarbeit, der Scheidung, der Arbeitssuche.
Hier geht nicht um „Entschuldigung“, hier geht es um Verstehen und die Reaktion der so genannten Leitkultur auf Fehler: Ich kaufen Bluse, das hat noch immer gereicht, damit Blusen die Besitzerinnen wechselten. „Hab Fleck auf Bluse!“ oder „Schau, ein Fleck“ war doch stets deutlich genug, zum Wasserhahn zu rennen und Schmutz abzurubbeln. Rubbeln, welch schönes Verb übrigens. „Bluse ist weiße, ist schön!“ – Auch dazu hat die Leitkultur und die in ihr lebenden Menschen geschwiegen, vielleicht war ja die Bluse gar nicht schön, da hätte man doch glatt auch noch lügen müssen. Und überhaupt: Was geht es uns Österreicher und Österreicherinnen an, wie die reden? Da gibt es die Deutschkurse, da sollen die – die anderen eben, die mit weiße scheeene Bluse, Fleck auf Bluse, Scheidung, kleinem Kind, Zweischichthacken – doch schauen, wie sie Deutsch lernen.
Die Tochter hat es da schon weitaus besser gehabt: „Ist in Gymnasium gegangen, später Wien, Universität“ – die Teilnehmerin ist stolz, sie will ihrer Tochter nun beweisen, dass sie jetzt auch die Regeln entdeckt hat, nach der die Sätze so viel schöner werden, so gut und so richtig klingen. Jetzt eilt sie zur Physiotherapie – Kreuz kaputt – Artikel von „Kreuz“ ist wie? Der Rücken, das Kreuz, die Wirbelsäule – und kaputt bleibt kaputt? Ja, als Eigenschaftswort schon, im echten Leben hoffen wir auf Linderung. Auf die Linderung.