Mit Oberleitung
STICH-WORT
15/05/15 Eine Preisfrage: Woran erkennt man quasi auf den ersten Blick, dass Salzburg sich erst zögerlich und eigentlich widerwillig hineingefunden hat in seine Rolle, eine Stadt innerhalb der Habsburgermonarchie zu sein?
Von Reinhard Kriechbaum
Zugegeben ein wenig pauschal gesagt, aber: Was eine g’scheite Monarchiestadt ist, hat bis heute eine Straßenbahn. Das gilt für Budapest, Zagreb oder Prag genauso wie für Graz, Innsbruck oder Linz. Auch im fernen westukrainischen Lemberg (einst die viertgrößte Stadt der Monarchie) rattern noch heute vorwiegend alte Straßenbahnen.
Nicht, dass es in Salzburg so etwas nicht gegeben hätte: 1909 hat man die romantische Pferde-Tram elektrifiziert. Das von Pferdestärken gezogene Schienenwägelchen war allmählich immer weiter gerollt – erst nur vom Lokalbahnhof zum Bazar, dann über die Staatsbrücke zum Mozartplatz und zuletzt sogar ins Nonntal. Die „Gelbe Elektrische“ fuhr vom Bahnhof ins Nonntal, aber auch Richtung Maxglan. Und vom Universitätsplatz zeigte ein Gleis in Richtung Winterreitschule (jetzt: Hofstallgasse) ab.
1909 bis 1940: Das war die kurze Zeit der „Gelben Elektrischen“ hierzulande. In der Hitler-Zeit war Wien mit seiner Straßenbahn-Nostalgie doppelt weit weg, da setzte man aufs automobile Vorwärtskommen auch im öffentlichen Verkehr. So also kam es zum raschen Aus fürs Schienenfahrzeug und zur Einführung der Oberleitungs-Busse. 75 Jahre Obus gilt es heuer also zu feiern. Im Haus für Stadtgeschichte gibt es aus diesem Anlass eine Fotoausstellung.
Am 1. Oktober 1940 fuhr der erste Obus vom heutigen Herbert-von-Karajan-Platz durch das Sigmundstor zum Hans-Schmid-Platz nach Maxglan. Durchs Neutor war ja schon die „Gelbe Elektrische“ unterwegs gewesen. Eines der stimmungsvollsten Gemälde – eine hübsche Kombination aus Lichtspielerei und Neuer Sachlichkeit – ist der Tramwaywagen, den Georg Jung durch die tief verschneite abendliche Riedenburg fahren ließ (ein Bild im Besitz des Salzburg Museums).
Unserem Wissen nach hat kein Obus jemals einen Bildenden Künstler zum Pinsel greifen lassen. Die ersten Zeilen im Salzburg-Wiki wischen allerdings allfällige Langzeit-Trauer um die Straßenbahn beiseite: Unser Obus, so kann man dort staunend lesen, sei „neben dem Oberleitungsbus Linz einer von zwei verbliebenen Oberleitungsbus-Systemen in Österreich.“ Außerdem – interessant und lehrreich! – besitze Salzburg „mit elf Linien, 154 Haltestellen und circa 100 Wagen nach Athen/Piräus, San Francisco, Seattle und Vancouver das fünftgrößte Oberleitungsbusnetz der westlichen Welt.
Die Konkurrenz ist im Westen tatsächlich nicht so furchtbar groß. In den Ländern des ehemaligen Ostblocks hingegen ist der Obus nach wie vor das urbane Verkehrsmittel schlechthin und tief in Osteuropa kann man durchaus noch in Städte kommen, wo es separierte Tickets für Obus und Dieselbus gibt. Jene für das elektrizitätsbetriebene Fahrzeug sind dann preisgünstiger.
Der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich, noch im Obus zwischen Kapfenberg und Bruck an der Mur unterwegs gewesen zu sein. Diese schon damals irgendwie archaisch wirkende steirische Überland-Connection hat das neue Jahrtausend leider nur ganz kurz erlebt. 2002 war es damit vorbei.
Kultivieren wir bitte tunlichst unseren fünften Obus-Platz! Zum 75-Jahre-Jubiläum hat man sogar eines der Gefährte hypermodern auf Jubiläum geschmückt. Dieser Obus ist mit LED-Lichtleisten beklebt, „die sowohl das Straßennetz, als auch die Lebenslinien der Salzburger widerspiegeln“, wie es auf der Seite www.75-jahre-obus.at der Salzburg AG heißt.
Nächste Woche kann man ein paar Mal die Stadt per Obus erkunden: Am Mittwoch (20.5.) um 15 Uhr ist das Thema einer geführten Tour „Frauen in Salzburg“. „Hundsgräfin und Hexen, Nonnen und Huren, Künstlerinnen und Kulturmanagerinnen, Pionierinnen der Medizin, Fotografie, Emanzipation und des Widerstandes“ verspricht man in der Einladung. Dafür muss man freilich auch manchmal kurz aussteigen aus dem Bus. Dieser wird von einer Fahrerin gelenkt und Sabine Veits-Falk, Historikerin im Haus für Stadtgeschichte, ist die Führerin. Männer dürfen aber schon mitfahren.
Am selben Tag sind um 20.30 Uhr „Lichter der Nacht“ angesagt. Die Dienststelle „Öffentliche Beleuchtung“ des Magistrats wird sich da ins rechte Licht setzen. A propos Nachtlicht: Die Lichtreklame auf dem Dach des Sternbräus ist die älteste bis heute existierende Neonreklame in Salzburg.
Am Freitag, 29. Mai, wird man bei der „Nacht der Kirchen“ ebenfalls per Oberleitung kostenlos unterwegs sein können : eben mit dem Jubiläums LED-Bus, für den zu diesem Anlass eigens eine Rundlinie „A“ eingerichtet wird.