Bach, Kutsche, Klavier
STICH-WORT
17/03/15 Es gibt eine Grauphase im ganz frühen Leben des Johann Sebastian Bach: Ist er nun am 21. März oder am 31. März 1685 zur Welt gekommen? Die „Grauzone“ von zehn Tagen nutzt man heuer für ein Straßenprojekt: Das Musikum verlädt ein Klavier auf ein kutschenartiges Gefährt.
Ein Tag Unsicherheitsfaktor beim Geburtstermin ist in der damaligen Zeit ganz gewöhnlich, denn im Taufbuch wurde eben der Tauf- und nicht der Geburtstermin festgeschrieben. Einen Heiden – und sei es ein Neugeborenes – wollte man damals aus Gründen des Aberglaubens partout nicht unter seinem Dach wissen und machte sich deshalb (und wegen der hohen Kindersterblichkeit) ehzeitig mit dem Baby auf in die Kirche, um Gottes Segen herabzuholen. Am Tag der Geburt oder spätestens tags darauf.
Warum stehen aber bei Bach der 21. oder der 31. März 1685 als Geburtstermine zur Disposition? In der Region verwendete man damals noch den Julianischen Kalender. Der Gregorianische Kalender, der durch Schalttage das entstandene Kuddelmuddel der Erd-Tage den astronomischen Gegebenheiten anglich, wurde zwar schon 1582 eingeführt, als erstes in der Republik Venedig, Spanien, Portugal und Polen. In protestantischen und orthodoxen Landen freundete man sich mit der neuen päpstlichen Zeitbestimmung so schnell aber nicht an. 1612 schaltete Preußen um, die protestantischen Landstände im Osten des Heiligen Römischen Reiches zogen gar erst 1700 nach.
Der (türkische) Kaffee kam schneller nach Sachsen und Thüringen als der (katholische) Kalender. Die Salzburger Bachgesellschaft feiert deshalb Bachs 330. Geburtstag unverdrossen am 21. März, unter anderem mit der so genannten Kaffeekantate „Schweigt stille, plaudert nicht“ BWV 211.
Die Fachgruppe Tasteninstrumente am Musikum erinnert an die tatsächlicheTermin-Unsicherheit und schickt in diesen Tagen ein Klavier auf Reisen. „Wir stellen ein Klavier auf eine ‚Kutsche‘ und fahren durch Salzburg und Umgebung, das hätte Bach sicherlich gefallen“, sagen die Musikum-Klavierlehrerinnen Christine Bussmann-Kollersbeck und Melanie Hie, die sich die Sache ausgedacht haben. Augenzwinkernd erinnern sie daran, dass Bach überhaupt kein Globetrotter war: „Er bewegte sich nur ungern von zu Hause fort, weil das Reisen so unbequem war.“
Beim Musischen Gymnasium beginnt am 18. März die Tour. Europark, Mozartplatz, Stiftshof St. Peter, das K.U.L.T in Hof, Salzburger Flughafen, Interspar Hallein und Salzburger Musikum sind weitere Stationen. Zwischen 10 und 18 Uhr gibt es da jeweils kleine Konzerte, offenen Unterricht und freies Spielen für alle: „Das erste Salzburger JEDER KANN KLAVIER“ hat man diese Option zum Selberspielen genannt.
Ein – mechanisches! – Pianino kommt jedenfalls in Salzburg in Einsatz. Markus Maurer, Bildhauer und Leiter der Hausbetreuung im Musikum, hat dafür das nötige Know How, und auch Schülerinnen und Schüler vom Musischen Gymnasium bringen sich kreativ ein in die Gestaltung des Vehikels , unter Anleitung von Janett Sumbera, einer Künstlerin, die sich das Wiederverwenden gebrauchter Materialien auf die Fahnen geheftet hat.
Bach, eine alte Klamotte? Wer so garstig denkt, wem also der Knopf in Sachen Bach noch nicht aufgegangen ist, der kann sich auf Tschaikowsky berufen: „Ich kann wohl sagen, dass ich Bach gern spiele, weil das Spielen einer guten Fuge unterhaltend ist, aber ich erblicke in ihm nicht ein großes Genie…“ Hoffentlich ist die Tastentrefferquote auf dem Klaviervehikel höher als jene von Tschaikowsky in Sachen Thomaskantor. (dpk-krie)