App an die Freude
STICH-WORT
20/11/13 „Like a Victorian on a first visit to a cinema“ – so hat sich Damian Thompson, Journalist von „The Spectator“, gefühlt, als er eine von Deutsche Grammophon angebotene App über Beethovens „Neunte“ heruntergeladen und das erste Mal hineingehört hatte.
Von Reinhard Kriechbaum
Natürlich auch hineingesehen, schließlich ist man mit iPhone, iPad und iPod touch zeitgeistig-multimedial unterwegs. Weltweit hat diese App, die vier legendäre Aufnahmen von Beethovens Neunter Symphonie vereint, über 700 000 Downloads weltweit erreicht. Nun gibt es sie auch in deutscher Sprache. Und – für uns weniger relevant als für die Verkaufsstrategen der Deutsche Grammophon – auch auf Japanisch.
„Dass der einzigartige Zugang zu diesem Werk nun auch sprachbarrierefrei - gerade für Kinder und Jugendliche - ermöglicht wird, unterstreicht den musikvermittlerischen Charakter der App“, heißt es in einer Presseaussendung.
Von der englischen Zeitung The Guardian in jeder Kategorie zur App der Woche gewählt, wurde die Beethoven-9-App nach ihrer Veröffentlichung am 16. Mai schnell zur meistgefragten frei verfügbaren Musik-App in den USA, Südkorea, Kanada, Deutschland, Finnland, Neuseeland und Schweden und behauptet sich in den Top Five in mehr als zehn weiteren Ländern. Außerdem erreichte sie in der ersten Woche die Top-Ten-Positionen der Free App Charts aller Kategorien in den USA, Kanada und Korea.
Mark Wilkinson, Präsident der Deutschen Grammophon: „Dieser App ist es gelungen, innovative Technologie mit großer klassischer Musik zu vereinen, und wir sind entschlossen, dieses Format mit unseren Partnern von Touch Press weiterzuentwickeln.“
Leonard Bernstein (Wiener Philharmoniker, 1979), John Eliot Gardiner (Orchestre Révolutionnaire et Romantique, 1992), Ferenc Fricsay (Berliner Philharmoniker, 1958) und Herbert von Karajan (Berliner Philharmoniker, 1962) sind die Dirigenten der vier Aufnahmen, von denen jede gewissermaßen für ein Zeitalter, eine jede jedenfalls auch für Interpretations-Ideologie steht.
Das besondere: In der App kann man zwischen den Aufnahmen zappen, pardon, switchen, ohne einen Ton zu verpassen. Dafür ist es sehr auffällig, wie unterschiedliche die Tempi und der Klang überhaupt ist. Das ist für weniger geeichte Hörer gewiss überraschend. Mitlesen kann man die Noten dabei auch, entweder die gedruckte Partitur oder eine Kopisten-Handschrift von 1825. Damit hat es eine besondere Bewandtnis: Es ist das Manuskript der Royal Philharmonic Society aus der British Library, mit dem der Dirigent der Londoner Erstaufführung im Jahre 1825 gearbeitet hatte. Die Royal Philharmonic Society hatte Beethoven nämlich einen Kompositionsauftrag erteilt, aus dem letztlich die Neunte Symphonie entstanden ist.
Wer es ultra-hippig will, kann – wir zitieren aus der Presseinfo – „in die hypnotisierende Beatmap eintauchen, die jede Note grafisch hervorhebt“. In der Rubrik „Einblicke“ bietet die App darüber hinaus zwei Stunden Interviews mit Dirigenten, Musikern und Schriftstellern; darunter Sir John Eliot Gardiner, Simon Halsey, Gustavo Dudamel, Suzy Klein, Paul Morley und Alice Sara Ott. Auch Orchestermusiker kommen zu Wort.