Welterschöpfungstag
STICH-WORT
20/08/13 Frust in der DrehPunktKultur-Redaktion: Auf einer einschlägigen Homepage haben wir auf die Schnelle unseren ökologischen Fußabdruck getestet. Viel mehr als eine Erdkugel täte es brauchen, um Leute wie uns zu (er)tragen! Dabei wurde nach dem Kulturkonsum gar nicht gefragt…Von Reinhard Kriechbaum
Möglicherweise ist es ja mit der Kultur so ähnlich wie mit der Lage der Erde global: Nach etwa zwei Dritteln der Zeit sind die natürlichen, regenerierbaren Quellen aufgebraucht. Der Rest im Jahrlauf bedeutet Ausbeutung der Vorräte.
Fachleute vom World Wide Fund For Nature (WWF) haben errechnet, dass es eben jetzt so weit ist. Deshalb haben sie für heute Dienstag (20.8.) den „Welterschöpfungstag“ ausgerufen. Mehr Rohstoffe als seit Jahresbeginnn verbraucht wurden, könne unser Planet innerhalb eines Jahres nicht erneuern. Für den Rest des Jahres lebe die Menschheit also „auf Pump“ und zehre von den stillen Reserven der Erde. Das Wort „Pump“ ist freilich nicht zutreffend, denn keiner redet von Ausborgen und schon gar nicht von Zurückgeben. Im vergangenen Jahr fiel der hypothetische „Welterschöpfungstag“ auf den 22. August. Die Öko-Bilanz hat sich in nur einem Jahr also gleich um zwei Tage verschlechtert.
Für die Salzburger Festspiele könnte die vertretbare Frist gar schon ein paar Tage um sein. Diese haben heuer ja schon am 19. Juli angefangen und dauern bis 1. September. Da war der Zwei-Drittel-Schnittpunkt gar schon am 17. August! In der Kultur wird meist nach Subventionshöhen und Umwegrentabilität gerechnet. Darum wissen wir leider nicht, ob es sich mit der Bio-Diversität in der Hoch- und Höchstkultur ähnlich verhält wie mit dem gemeinen Grünzeug und Getier. Nachhaltigkeit ist bei den Kulturschaffenden (noch) kein Thema, und drum werden – erst jüngst haben darüber Opernsängerinnen und Ärzte gemeinsam geklagt – die Kräfte der Künstler ausgelaugt wie nur.
Das Publikum scheint hingegen robust. Es regeneriert sich quasi von selbst. Erst jüngst, zu Ferragosta, ist wieder eine Ölquelle angebohrt worden. Egal, wie kreditunwürdig oder gar ramschgefährdet Italien als Staatswesen ist: Die dortigen Resourcen in Sachen Kulturkonsum scheinen unversiegbar.
Nach dem kultur-ökologischen Fußabdruck des DrehPunktKultur, seiner Mitarbeiter und Redakteure fragen wir am heutigen Tag lieber nicht. Es muss eine verheerend große Schuhnummer sein. Aber unsere Jahresbilanz ist, so hoffen wir, deutlich besser: Wir nehmen nicht nur die Festspiele ernst, sondern treiben uns das ganze Jahr hindurch in den lokalen und regionalen Kulturbiotopen um. Die sind bekanntlich besonders erquickend und nachhaltig.
Auch wenn uns der Fußabdruck-Rechner des Lebensministeriums (www.mein-fussabdruck.at) in Sachen Kultur nicht wirklich weiterbringt, sind wir also zuversichtlich und haben überhaupt kein schlechtes Gewissen, uns bis weit in den Dezember hinein an der Kunst so richtig satt zu sehen und zu hören.