Von Bossen, Bettlern und Vandalen
STICH-WORT
Von Christina Repolust
17/07/12 Warum klingen Delikte in der Nobel-Klasse immer so leicht, locker-flockig? Vom stillen Betteln und verbotenen Parken. Die Chronologie eines Irrtums in fünfzehn Minuten am frühen Morgen.
7.00
Während eine christlich-soziale Stimme aus dem Regionalfunk Zweifel daran äußert, dass in Salzburg das Bettelverbot aufgehoben werden soll – den Banden seien ja dadurch (Affen)-Tor und Tür geöffnet! -, lese ich in der Zeitung des gleichen Tages, dass ein Boss verhaftet worden ist. Aha, ein Bettlerboss mit Porsche Cayenne, folgere ich, um 7.00 Uhr noch nicht ganz auf der Höhe.
7.10
Nein, der Irrtum klärt sich schnell auf, der Österreich Chef – nein, nicht der Bettler, sondern der Boss der Boss-Nobelmarke – hat in die Rathauswachstube müssen. Geht es Boss und der Marke so schlecht, dass der Boss-Boss gebettelt hat? Nein, auch falsch, er hat nicht gebettelt, sondern falsch geparkt! Auf dem Gehsteig. Das ist wirklich verboten!
7.11
Ich werde dem jungen Polizisten, der den Boss-Boss die Anzeige wegen Falschparkens überreichte, einen Brief schreiben und ihm gratulieren. Vielleicht geht sich auch noch eine Krawatte von Boss aus, da müsste ich aber zuerst den Helden selber fragen.
7.12
Warum klingen Delikte in der Nobel-Klasse immer so leicht, locker-flockig, eben mal schnell geparkt, auf den öffentlichen Straßen, Plätzen und Gehsteigen? Heißt das dann Kavaliers-Delikt, weil ein Kavalier ja sonst hundertprozentig korrekt agiert? Kennt jemand das weibliche Pendant von Kavaliers-Delikt? Nur zum Nachschicken an Österreichs Ex-Justizministerin!
7.13
Die ÖVP umgibt sich noch immer mit dem Flair von Untertitel christlich sozial. Die Stimme aus dem Radio klang anders, leicht verurteilend, Banden witternd und „unser Salzburg“ – nein, nicht vor bossigen Falschparkern! – vor Bettlerbanden beschützen wollend. Was wird erreicht, wenn der Blick auf den einzelnen Bettler Not und Armut spiegelt und dann die intellektuelle Analyse ergeben soll: Der ist in echt gar nicht arm, der sitzt von Montag bis Mittwoch am Pool, dann schwärzt er seine Nägel und nachdem er zwei Jahre Schauspielunterricht genossen hat – den zahlt seine Bettler-Bande! – sackelt er jetzt die armen, armen SalzburgerInnen aus.
7.14
Stilles Betteln und aggressives Betteln werden via Radio noch einmal erläutert. Vielleicht macht den Mittelstand in seiner Besitzstandswahrung bereits der Anblick von Bettlern aggressiv, wobei die Aggression dann ja auf der Seite der Angebettelten liegt.
7.15
Das war ein heftiger Einstieg in den Tag. Ich habe gelernt: Wer den Schriftzug an einem Geschäft ruiniert ist ein Vandale. Wer mit Porsche auf dem öffentlichen Gehsteig parkt, ein Boss-Boss. Wer bettelt, ist Mitglied einer Bande und per se schon einmal nicht arm, nur scheinarm vielleicht.
Mitgefühl, Begreifen von Armut, Zivilcourage gegen Park-Banden – nicht die Lokalität, sondern das Delikt ist gemeint! – das alles in 15 Minuten. Einen schönen Tag noch!