Polyglotte Analphabeten?
STICH-WORT
02/06/20 Leximi me zë hap shumë mundësi për fëmijët dhe një fillim të mirë për në shkollë. Merrni këtë shteg në botën e librave së bashku me fëmijët. Të keni shumë kënaqësi në lexim! Das ist Albanisch und steht im Vorwort der Broschüre in elf Sprachen Miteinander lesen. Lesen mit Kindern.
Von Heidemarie Klabacher
Die Broschüre ist weitgehend inhaltsleer, das aber in elf Sprachen. Daher ist das Blättern unterhaltsam und ein Gewinn. Golaha Degaanka ee Dowlada scheint „Landesrätin“ auf Somali zu heißen. Nënkryetari i Bashkisë „Bürgermeister-Stellvertreter“ auf Albanisch und Belediye Meclisi Üyesi „Stadträtin“ auf Türkisch. Andrea Klambauer, Bernhard Auinger und Anja Hagenauer haben denn auch Grußbotschaften im Vorwort abgegeben, die zumindest auf Deutsch nach den Prinzipien der „einfachen Sprache“ verfasst wurden: „Ich lese meinen Kindern sehr gerne vor. Dabei genießen wir die gemeinsame Zeit und erleben Leseabenteuer.“ Ob dieser Satz in den anderen Sprachen auch so banal klingt? Englisch? „I really like reading aloud to my children. This allows us to enjoy spending time together and go on many reading adventures.“
Es geht aber nicht um Sprachkritik, sondern um Vorlesen: Eltern, Großeltern, Onkeln und Tanten – majke, očevi, bake i djedovi, ujaci i tetke auf Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, also BKS – werden eingeladen, ihren Kindern, Enkelkindern, Nichten und Neffen, vorzulesen und die Bücher dazu in der Bibliothek auszuleihen. Die wirklich wichtigen Informationen stehen in schnörkellosem Nur-Deutsch auf der letzten Seite.
Etwa die Info, dass es über hundert Bibliotheken im Bundesland Salzburg gibt, und über die Webadresse www.bibliotheken.salzburg.at mit wenigen Klicks tatsächlich die Büchereien von Abersee im Flachgau bis Zederhaus im Lungau angesteuert werden können.
Dazwischen wird mittels Fragen und Antworten auf Deutsch, Albanisch, Arabisch, BKS, Englisch, Farsi, Französisch, Kurdisch, Rumänisch, Russisch, Somali und Türkisch Mut zum Vorlesen gemacht: Wo lese ich am besten vor? Dort, wo Sie und die Kinder sich wohl fühlen. Wie oft soll ich vorlesen? Hier gibt es kein Zuviel. Sobald die Kinder mit Büchern zu Ihnen kommen, ist Vorlesezeit. Das kann auch mehrmals am Tag sein. Nehmen Sie das Lieblingsbuch und schlagen Sie es auf: Schon kann es losgehen. Die Antwort auf die Frage „Wann ist die beste Vorlesezeit?“ geben wir lieber auf Rumänisch wieder: Decideţi acest lucru împreună cu copilul dumneavoastră. Copii adresează întrebări pe parcursul întregii zile. Răspundeţi la acestea şi povestiţi-le despre copilăria dumneavoastră. Pentru copii dumneavoastră sunteţi cele mai interesante persoane din lume. După masa de prânz, după-amiaza sau seara, găsiţi pauze de odihnă: Momentul potrivit este atunci când toţi sunt fericiţi.
Alle großen und kleinen Salzburgerinnen und Salzburger, die eine dieser elf Sprachen sprechen, sind in zumindest einer Sprache „daheim“. Deutsch werden sie auf unterschiedlichsten Niveaus alle können (Wer von „uns“ Eingeborenen kann Farsi oder Bosnisch auch nur auf irgendeinem Niveau?) Muss man diese zumindest zweisprachigen Leute in so einem – gut gemeinten und grundsätzlich begrüßenswerten – Heft tatsächlich auch noch in ihrer Muttersprache anreden, als wären sie intellektuell minderbemittelte Analphabeten?
Damit nix falsch verstanden wird: Der Lese-Erziehung und Lese-Förderung kann nie genug sein. Alles, was auch ganz privates Lesen und Vor-Lesen ermöglichen und fördern hilft, ist gut und wichtig. Viele namhafte verdienstvolle Institutionen haben sich diesem Anliegen verschrieben, herausgegriffen sei das „Junge Literaturhaus“.
Vor dem Lesen aber steht der Erwerb einer Sprache. Längst ist bekannt und belegt, dass der vollständige Erwerb einer Erst- also Muttersprache die wichtigste Voraussetzung zum Erwerb jeder weiteren Sprache ist. Es ist nett von Stadt und Land Salzburg, gemeinsam Papier bunt in den Sprachen der Welt zu bedrucken und die Leute zum Vorlesen animieren zu wollen. Viele werden auch von dieser Broschüre profitieren.
Noch wichtiger wäre es freilich, wenn sich DIE Politik – „Koste es was es wolle!“ - endlich ohne wenn und aber dafür einsetzen würde, dass wirklich alle Kinder in der öffentlichen Schule in ausreichend kleinen Klassen von ausreichend vielen Lehrerinnen und Lehrern Deutsch lernen können. Und – das ist bislang nirgendwo ein Thema – dass der Schatz an Sprachkompetenz, den alle Migrantenkinder aller Generationen ganz selbstverständlich bei sich tragen, wertgeschätzt und auch in der Schule zur Kenntnis genommen wird. Lehrer mit Somali oder BKS als Herkunftssprache? Was wäre das für ein Gewinn für eine Gesellschaft.