Schätzungsgemeinschaften
STICH-WORT
10/05/19 Die meisten glauben schon an irgendetwas. Aber was das ist, wollen sie lieber nicht sagen. Bei der Volkszählung im Jahr 2001 war die Gretchenfrage sehr unbeliebt, denn Gott ist Privatsache. Bei Erhebungen nach ihm zu fragen, ist seither verboten – aber schätzen ist erlaubt. Salzburg glaubt, ihn auf viele Arten zu kennen.
Von Franz Jäger-Waldau
Anfang 2018 waren jedenfalls in Salzburg fast 340.000 Menschen, das sind ca. 61 Prozent, römisch-katholisch getauft. Die zweitgrößte Gruppe sind hier die Muslime mit rund 5,6 Prozent. Orthodoxe Glaubensrichtungen machen zusammengefasst einen Anteil von 3,7 Prozent aus, die fern(er)östlichen Glaubensgemeinschaften der Hindus, Sikhs und Buddhisten sind auf ca. 700 Personen im Bundesland beschränkt. Interessant sind aber auch die Glaubensrichtungen jenseits der Mehrheiten: In Österreich sind 16 Kirchen- und Religionsgemeinden gesetzlich anerkannt. Weiters gibt es bundesweit aktuell 9 staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaften, sieben davon sind in Salzburg aktiv. Wer selbst damit anfangen will, hat als Gruppe bis zum Upgrade der staatlichen Anerkennung zuerst 20 Jahre Bestand zu überstehen und 0,2 Prozent der Bevölkerung zu bekehren. Was allerdings früher noch, in den dunklen Zeitaltern der letzten paar Jahre vom Volksmund sorglos „Sekte“ geschimpft wurde, heißt heute „Weltanschauung“: „[Die Bezeichnung] ‚Sekten‘ ist bei vielen religiösen Gruppierungen aufgrund ihrer staatlichen Anerkennung teilweise nicht mehr zutreffend, wir bezeichnen sie als Weltanschauungsgruppen“ meint Matthias Hohla, Referent für Ökumene und Weltreligionen in der Erzdiözese.
Die älteste der lebendigen Religionen ist in Salzburg untervertreten. Für den jüdischen Gottesdienst notwendigen „zehn Männer“ bringt die seit 1900 bestehende Synagoge in der Lasserstraße leider nicht immer auf. Bei nur 70 Menschen mit jüdischem Glaubensbekenntnis bleibt die Thorarolle manchmal im Schrein. Ersatzweise wird aus anderen Büchern vorgetragen, berichtet Hannah Feingold von der israelitischen Kultusgemeinde.
Der rumänisch-orthodoxe Erzpriester Dumitru Viezuianu war früher in einer Druckerei angestellt, jetzt kann er sich neben dem Religionsunterricht am Gymnasium voll seiner wahren Überzeugung, den Überzeugten (knapp 3000 Gläubigen) widmen. Von anderen orthodoxen Kirchen unterscheidet die rumänische nur die Sprache. Aber wie bei ihren Schwestern erfolgt ihre Finanzierung gänzlich durch Spenden. Viezuianu allerdings verzichtete auf eine Entlohnung von der Pfarre, damit die Gemeinschaft in einer Holzkirche in Salzburg-Schallmoos feiern kann.
Die Katholiken sind die ehelose Minderheit: „Denn manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht - um des Himmelreiches willen“, so Jesus Christus. Doch nicht alle interpretieren diese Zeilen gleich: Vitaly Mykytyn und John Reeves von der ukrainisch-griechisch-katholischen Kirche sind Priester und verheiratete Familienväter. Die Ehe muss in dieser Glaubensgemeinschaft allerdings vor der Priesterweihe geschlossen worden sein.
Glauben wird auch in manchen zum Glauben, zu wissen. Neben dem regulären Theologiestudium bietet die Universität Salzburg für die syrisch-orthodoxe Kirche einen Lehrgang: Das weltweit einmalige Angebot wird von Studierenden aus dem Osten wie aus dem Westen genutzt.