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Suchen nach den Noten, die sich lieben

HINTERGRUND / OUVERTURE SPIRITUELLE

21/07/13 Der Osten sei heute für viele gleichbedeutend mit Ort der Mystik und Innerlichkeit, die dem Westen fehle, so Kardinal Jean-Louis Tauran am Freitag (18.7.) in der Großen Aula. Der "Westen" sei hingegen - etwa für Buddhisten - "das Land, wo man ankommt, der Punkt, an dem man nicht mehr weiter gehen kann, das Land der Toten, der Schlusspunkt".

Musik ist dazu fähig, den Menschen in Gottes Gegenwart einzuführen: Das hat Kurienkardinal Jean-Louis Tauran beim spirituellen Auftakt der Salzburger Festspiele (18.7..) am Freitagabend in der Großen Aula dargelegt. Der Präsident des päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog sprach bei den "Disputationes", die das Herbert-Batliner-Europainstitut zur Ouverture spirituelle der Festspiele anbietet. Heuer versucht man, abendländische und fernöstliche (buddhistische) Sakralmusik in einen Dialog zu bringen.

Osten und Westen in der Musik? Es gebe einen "inneren Orient", so Jean-Louis Tauran: als Ort der Stille, der Pilgerschaft und des Vorausliegenden, aus dem Licht komme. Davon, dass jeder auf der Suche nach seinem "eigenen Orient" sei, zeuge auch das Wort "sich orientieren", im negativen Fall "Desorientierung".

Musik bezeichnete Tauran als eine menschliche Ausdrucksform des "inneren Ostens". Sie drücke seit prähistorischer Zeit bis heute "Liebe und Hass, Freude und Trauer, Frieden und Krieg" aus.

Zur Religion gebe es viele Parallelen, da Musik sich ständig bewege und immer fortschreite: "Musik vermittelt Glaube, der ebenso in Bewegung und eine Reise ist." Klänge würden wie Gott den Menschen erreichen, ohne von ihm festgehalten werden zu können. "Musik vermittelt etwas vom zu uns sprechenden Gott, eröffnet eine Sprache des Transzendenten zwischen Erde und Himmel."

Musizieren sei nicht nur Frage der Technik, führte der Kurienkardinal am Beispiel des Klavierspiels aus. "Man muss das Stück interpretieren, sich selbst mit der Musik identifizieren." So könne ein Virtuose ein Werk von Chopin oder Mozart perfekt spielen, ohne spirituelle Dimension den Zuhörer aber dennoch "völlig unbewegt" zurücklassen. Entscheidend sei die Verbundenheit - "Kommunion" - zwischen Musiker und Zuhörer.

Tauran führte das Beispiel des Schweizer Pianisten Edwin Fischer an, der bei Konzertende nach Standing Ovations einmal erklärt habe: "Ich war nicht der einzige, der gespielt hat."

Auch von Mozart werde berichtet, er habe einmal als von Salon zu Salon weitergereichtes Wunderkind vor einem Klavierauftritt das Publikum gebeten: "Sagt mir, dass ihr mich liebt." Jahre später habe er auf die Frage, warum er sich selbst im Musikschreiben völlig verzehre, geantwortet: "Ich suche nach zwei Noten, die einander lieben." Alle Menschen seien Pilger, die anerkannt und geliebt werden wollten, so Tauran: "Wir alle suchen nach den sich liebenden Noten."

Besonders hob der Kardinal die Bedeutung der Stille in der Musik hervor: Sie stehe für die Notwendigkeit, leer von sich selbst zu sein, um damit erst die unausgesprochene Botschaft eines "Anderen" vernehmen zu können. Gemeinsam mit der Musik drücke die Stille Sehnsucht nach Schönheit und Wahrheit aus, und somit das, "was Worte alleine nicht schaffen".

Als eine der "wortgewaltigsten" Stillen der Musik bezeichnete der Kardinal jene in Johann Sebastian Bachs Johannespassion: Bei Jesu Sterbensworten "Consummatum est" (Es ist vollbracht) werde die Musik still, "wobei jedoch der Zuhörer sorgfältig in dieses Schweigen angesichts des Wahnsinns menschlicher Grausamkeit eingeführt wird. Alles kommt zum Stillstand, mit dem Ende aller Hoffnungen." Mit dem Cello-Akkord, der als einziges in die Stille tritt, lade Bach den Zuhörer ein, "in Gemeinschaft mit Christus und seinem Kreuzestod zu treten". (Kathpress)

Am Dienstag (23.7.) ab 15 Uhr ist „Spiritualität in Kunst und Kultur“ Thema der „Disputationes“, am Mittwoch (24.7.) ab 10 Uhr „Rationalität und Mystik“ – Das Detailprogramm zum Download
Am  30. Juli 2013, 10.30 Uhr, bekommt Zubin Mehta im Haus für Mozart den "Pro Arte Europapreis" des Herbert-Batliner-Europainstituts. Laudator ist Rudolf Buchbinder - www.europainstitut.co.at

 

 

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