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Alles eine Frage des guten Stils

FESTSPIELE / YDP / THE DINNER CLUB

23/08/11 Das gute Benehmen hätte man lernen sollen, den Humor hat man verloren, beim vierten Mitmachtheater des Young Directors Project. "The Dinners Club": Aus den Meisterklassen für den gesellschaftlichen Feinschliff.

Von Reinhard Kriechbaum

Nach zweieinhalb Stunden ist das individuell gesteckte Ziel erreicht: Einladung in den Flirt-Kurs. Ein direkter Blick ins Auge sagt noch gar nichts, lernen wir, da steht die Ampel bestenfalls auf gelb. Erst wenn einen die Dame ein zweites Mal unverwandt anschaut, ist der Eröffnungs-Zug angesagt. Den „Anmachspruch“ (klingt witzig aus dem Mund eines schwedischen Schauspielers, der Englisch spricht) bitte weglassen!

Ich weiß jetzt auch, wie man stilvoll eine kalte Weißweinflasche abtupft. Und ich wurde dran erinnert, dass man als Mann auf der Stiege auch nach oben der Dame vorangeht. Und wohin nach dem Essen mit der Serviette? Ein Mal zusammenfalten und vor sich ablegen. Heikler schon das Kapitel Konversation. Auf Unterarm-Abstand wegbleiben von der Dame, sie nicht Richtung Wand bugsieren, und überhaupt möglichst offen bleiben Richtung Raummitte. Es soll ja ein Dritter auch seine Small-Talk-Chance bekommen.

„Meisterklassen“ also sind angesagt, um das gute Benehmen und das gewandte Auftreten zu lernen. „Poste Restante“, ein Stockholmer Theaterkollektiv, hat es sich ausgedacht und mit internationalen und heimischen Schauspielern umgesetzt. Bei einem Dinner (da wird es schon elf Uhr nachts sein) wird das Gelernte angewandt. Die Dame mir gegenüber stützt gerne die Ellbogen auf den Tisch und wird mehrmals ermahnt. Ich bekomme einen leisen Hinweis drauf, mich nicht anzulehnen: „Es ist auch kühler unter dem Sakko, wenn man zehn Zentimeter Abstand hält von der Stuhllehne.“ Gleich ausprobiert, stimmt!

Beim Betreten der Villa Karin (dort, schräg gegenüber vom Gerichtsgebäude, war einst die türkische Botschaft) fällt der nette Retro-Look auf. Eine Schallplatte dreht sich und Harry Belafonte träufelt angenehm ins Ohr. Adrett schauen die Gastgeberinnen aus mit schwarzen Cocktailkleidern und artig aufgesteckten Frisuren. Durch und durch frisch gebügelt die (Haus-)Herren. Das Publikum wirkt im Vergleich nicht gerade overdressed. Vielleicht wäre es doch ein Abend für die Krawatte gewesen? Aber man schwitzt auch so genug beim Einlernen des Rumba-Grundschritts.

Mit Verlaub: Etwas zäh war die Sache schon. Vier Stunden können noch schneller vergehen. Man hat alles genau so bekommen, wie es im Programmheft stand. Eins zu eins. Was wirklich gefehlt hat: Die ironische Brechung, die Irritation. Die theatrale Intervention, die all die Benimm- und Verhaltensmuster bizarr wirken oder auch nur tendenziell fragwürdig hätte erscheinen lassen. „Gemeinsam mit den Performern beschäftigen sich die Besucher mit den essenziellen Fragen des Lebens, auf die es keine Antworten gibt, wohl aber Formen, durch die wir sie immer wieder meistern“, steht im Programmheft. Vielleicht hatte ich an dem Abend einfach zu wenig essenzielle Fragen in mir?

Bis 25. August in der Villa Karin, Rudolfskai 54. – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SFS / Wolfgang Lienbacher

 

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