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Ein musikalisches „So ist es“

FESTSPIELE / SCHOSTAKOWITSCH-ZYKLUS 2

22/08/11 Schostakowitschs Musik ist nicht „schön“. Auch wenn in den Pausen - mit leicht ratlosem Unterton - da und dort zu hören war: „Aber das war jetzt schon schön!“ Schostakowitschs Musik ist berührend, aufwühlend, betroffen machend, zerstörerisch, erschütternd, tieftraurig – nicht schön. Genauso wenig ist ein fast fünfstündiges Konzert mit sieben Streichquartetten des russischen Meisters mit der facettenreichen Geschichte ein reiner Genuss.

Von Christiane Keckeis

Gourmets kommen nicht auf ihre Kosten. Gefragt sind - auch am zweiten „Schostakowitsch-Marathon-Tag“ - Auseinandersetzung, sich einlassen, das Aushalten von Gefühlen, von beginnender Modernität und Verstörung. Das ist Arbeit. Aber die Arbeit lohnt sich, wenn Schostakowitschs Musik so eindringlich und achtsam musiziert wird vom Mandelring Quartett.

Der zweite Abend des Schostakowitsch-Zyklus galt überwiegend dem Spätwerk des Komponisten. Die Politik, in deren Fadenkreuz der Komponist Zeit seines Lebens gestanden hatte, scheint in diesen letzten Jahren nicht die geringste Rolle mehr gespielt zu haben.

Die politische Motivation des Komponisten tritt zunehmend in den Hintergrund, die musikalische Sprache verändert sich, wird spröder, karger und kompromissloser. Die sarkastisch Groteske, der schonungslose Blick auf das Skurrile des menschlichen Seins weicht dem Resignativen, der Reduktion auf das Essentielle: Schostakowitsch beschäftigt sich infolge der zunehmenden Verschlechterung seines lebenslang anfälligen Gesundheitszustands nach seinem ersten Herzinfarkt 1966 und dem Wegsterben der Freunde bewusst mit dem Tod, dem für ihn definitiven Ende, nach dem nichts mehr zu erwarten ist.

Das Mandelring Quartett gibt Einblick in diesen Wandel und macht ihn spürbar. Die ersten beiden Streichquartette des Nachmittags, Nr. 9 und 10, schrieb Schostakowitsch 1964, sie gehören noch der mittleren Schaffensperiode an. Neben stupender Bogentechnik, glasklarer Intonation, höchster rhythmischer Präzision und ausgefeilter Dynamik wird den Musizierenden hier besonders eine variantenreiche malerische Farbgebung abverlangt. Das galoppartige gespenstische Scherzo des Allegretto der Nr. 9, das skurril tänzelnde Allegro, das sich in hektisches Schwirren auflöst, oder das fast brutale Allegretto furioso der Nr. 10, das aggressiv und voller Sarkasmus, mit fahlen Effekten daher kommt, fast symphonisch instrumentiert: Das gestalten die Musiker mit differenziertesten Farben. Da wird die Geige zur Trompete, die Viola malt stampfende Füße und das Cello verliert alle Wärme und wird bösartig.

In den fünf weiteren Quartetten, von 1966 im Zweijahresabstand geschrieben, experimentiert Schostakowitsch mit Kompositionsweisen, die in der UdSSR seinerzeit noch verpönt waren: Zwölftonmusik, Auflösung der Strukturen, bis nur mehr Geräusch überbleibt. Wichtiger aber noch ist der Tonfall der späten Quartette: ohne üppiges Pathos, unsentimental, reduziert, klar. Ein musikalisches „So ist es“. Auch in den expressiven Ausbrüchen.

Sebastian und Nanette Schmidt (Violine), Roland Gassl (Viola) und Bernhardt Schmidt (Violoncello) treffen den Ton genau, das könnte emotionslos wirken, ist aber intensiv und fährt in seiner Klarheit unter die Haut, fesselt. Wundervolle Soli aller Musiker, aber besonders von Bratsche und Cello, berühren und führen über höchste Lagen aus dem Klopfen des Todes heraus in die Stille.

Ein bewegtes, berührtes Publikum dankte dem souveränen Mandelring Quartett mit Standing Ovations für ein musikalisches Erlebnis, das sicher für alle Beteiligten ein Grenzgang war – ein gelungener Grenzgang.

Bilder: SFS/Wolfgang Lienbacher
Zur Besprechung der ersten beiden Konzerte im Schostakowitsch-Konzertzyklus
Der kleine Marathon gegen die großen Parteitage

 

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