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Liebe im surrealistischen Versuchslabor

FESTSPIELE / COSI FAN TUTTE

07/08/11 Im zweiten und (leider) letzten Anlauf überzeugt Claus Guths Inszenierung von Mozarts „Così fan tutte“ szenisch und, dank Marc Minkowski am Pult, auch musikalisch: Trotz des rabenschwarzen Inhalts ein lustvoller, transparenter Mozart-Klang, der sich ideal mit dem Bühnengeschehen verbindet.

Von Oliver Schneider

Mit „Così fan tutte“ schloss Claus Guth 2009 seinen Da Ponte-Zyklus im Haus für Mozart ab. Eine Inszenierung, die damals nicht das Niveau der anderen beiden Teile des Zyklus erreichte, was einerseits an der Durchmischung einer realen und einer psychologischen Spielebene und andererseits an dem pauschalen Dirigat von Adam Fischer am Pult der routiniert spielenden Wiener Philharmoniker lag.

Heuer ist der Eindruck anders: Guth hat seine Inszenierung noch einmal von Grund auf überarbeitet und sie von allem realistischen Ballast befreit. Im Graben setzt Marc Minkowski am Pult seiner auf Originalinstrumenten spielenden Musiciens du Louvre markante Impulse, hält die fabelhaften Musiker zu ausdrucksvollem Musizieren an.

Keine Spur vom Originalklang-Dogmatismus. Es ist schlicht ein Vergnügen zu hören, wie das Orchester im ersten Akt die – vorerst – standhaftere und gleichzeitig leidenschaftlichere der beiden Schwestern, Fiordilligi, bei ihrem Rondo „Come scoglio immoto resta“ mit Kraft begleitet. Aber es sind auch die federnde Rhythmik, die vielen lyrischen Momente – Ferrandos „Un‘aura amorosa“ oder sein Schlussduett mit Fiordilligi „Fra gli amplessi in pochi istanti“, in denen die beiden Paare sich zunächst gegen neue Gefühle wehren oder sich später geschlagen geben, in denen Minkowski das Orchester zu weit mehr als einem Begleiter macht. Und nicht zu vergessen, die sprechenden Rezitative (Hammerklavier: Francesco Corti, Violoncello: Nils Wieboldt).

Claus Guth betrachtet den von Don Alfonso angezettelten Partnerinnentausch nun ganz von der psychologisch-surrealistischen Ebene. Christian Schmidts dreistöckiger Bühnenraum ist zum klinischen Versuchslabor ohne realen Bezug geworden, aus dem es von Beginn an kein Entweichen für die beiden Paare Fiordilligi–Guglielmo und Dorabella–Ferrando gibt. Dass der Situation und der Handlung etwas Unwirkliches anhaftet, drückt Guth durch die Einführung der surrealistischen Ebene aus. Don Alfonso ist in Max Ernst‘scher Manier der schwarze, gefallene Engel, der die beiden Paare gleich einem Getriebenen durcheinanderwirbeln will, Despina ist seine schwarze Assistentin zeitweise ebenfalls mit Engelsflügeln.

Die Querverbindungen zu Mozarts erster Da Ponte-Oper, „Le nozze di Figaro“ sind offensichtlich. Dort steht Cherubino ein Engel zur Seite, nur dass man dem jungen Schwerenöter, der sich später vielleicht zum Don Giovanni entwickelt, mehr nachsieht als dem alten Zyniker Alfonso. Ach ja, auch die herrschaftliche Figaro-Treppe findet ein Pendant im Così-Labor.

Als Despina ihren beiden Herrinnen im ersten Aufzug Schokolade bringt, jammern diese wegen der Abreise der Geliebten. Vor Schreck entleert Despina die Schokoladetassen. Ein schmutziger Fleck bleibt. Ein Symbol für das Entstehen der seelischen Zerrissenheit. Guth und Schmidt haben für das fortschreitende Nagen der Zerrissenheit ein kongeniales Bild gefunden:einen dichten Wald hinter dem Labor, dessen Rückwand sich im Lauf des ersten Aufzugs öffnet. Im zweiten Akt, wenn auch Alfonso den von ihm initiierten bitterbösen Liebhabertausch nicht mehr wirklich beherrscht, hat dieser Wald sich bis ins Labor ausgebreitet. Aber nicht nur die Frauen machen sich schmutzig, wenn sie sich vom Liebeswerben Ferrandos und Guglielmos geschlagen geben. Keiner der sechs Beteiligten bewahrt eine weiße Weste und verirrt sich metaphorisch im Dickicht des dunklen Walds. Mit dem Waldbild gelingt Guth und Schmidt schließlich auch die Verbindung zu ihrer dritten Da Ponte-Mozart-Arbeit, „Don Giovanni“, der ab 18. August wieder im Haus für Mozart auf dem Programm stehen wird.

Im Finale schließlich, wenn die neuen Paare noch rasch den Hochzeitsvertrag unterschreiben, bevor die „alten“ Liebhaber zurückkehren, lässt Guth von Anfang an keine Hochzeitsfreude aufkommen, also ob alle Beteiligten das unweigerlich von Da Ponte und Mozart vorgesehene Ende vorausahnen. Vier desillusionierte Menschen sitzen dort zusammen, bei denen von Eros keine Spur mehr zu finden ist. Unnötig zu sagen, dass der von Mozart und Da Ponte konzipierte Schlussgesang einen schalen Beigeschmack hinterlässt.

Christopher Maltman, 2008 und 2010 noch der Don Giovanni, ist in die Rolle des Guglielmo geschlüpft, dem er seinen kernigen Stimmklang und seine große Bandbreite an Ausdrucksnuancen verleiht. Auch darstellerisch ist er in dieser Produktion eine Klasse für sich. Bo Skovhus, 2006 noch der Graf im „Figaro“, ist wieder der Laborleiter und schwarze Engel Don Alfonso, der sich mit seinem wohltönenden Bariton gut von Maltmans Stimmkraft abhebt. Alek Shrader verfügt über ein dunkel-grundiertes Timbre, was für die Rolle des Ferrando gewöhnungsbedürftig ist. Nach Startproblemen im ersten Akt steigert er sich im Laufe des Abends bis zum Duett mit Fiordilligi, in dem sie ihm (endlich) ihre neue Liebe eingesteht.

Maria Bengtsson als Fiordilligi verfügt über einen in allen Registern ausgeglichenen Sopran und vor allem die Fähigkeit, Bögen zu spannen. Ihr gelang am Premierenabend das eindringliche Rollenporträt einer Frau, die sich lange gegen ihre neuen Gefühle wehrt, dann aber mit größter Hingabe liebt. Michèle Losiers als Dorabella besitzt ein leicht gaumiges Timbre, und Anna Prohaska als Despina ist schließlich eine Garantin für Hör- und Spielgenuss.

Bilder:  SFS / Monika Rittershaus

 

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