Rühr mich nicht an – gilt nicht
SALZBURG MUSEUM / BITTE BERÜHREN
29/10/14 Warum gehst du ins Museum, du siehst ja eh nichts... „Hier kommen wir nur mit Sensibilisierungsarbeit weiter.“ Das sagt Josef Schinwald, der Obmann des Blinden- und Sehbehindertenverbandes. Das Salzburg Museum hilft mit dem Programm „Bitte berühren“.
Von Heidemarie Klabacher
„Wenn ein Sinn eingeschränkt ist, so muss man eben alle anderen nutzen. Wichtig bei Führungen für Menschen mit Beeinträchtigung ist, dass sich alle Beteiligten genug Zeit dafür nehmen. Denn Objekte, die sich die meisten von uns einfach ansehen, müssen durch genaue Beschreibung oder auch durch Ertasten erlebbar und begreifbar werden.“
So beschreibt es Nadja Al-Masri-Gutternig. Sie ist am Salzburg Museum zuständig für die „Kunstvermittlung mit Schwerpunkt Inklusion“. Also mit „Einschluss“ etwa ener Menschen, denen ein „normaler“ Ausstellungsbesuch nur wenig bringt, erstens weil sie nichts sehen und zweitens, weil man die meisten Kunstwerke ja nicht so einfach angreifen – also auch nicht abtasten – darf.
Das Salzburg Museum bietet Spezial-Führungen für angemeldete Gruppen, auf deren jeweilige Bedürfnisse die Museumspädagoginnen dann ganz gezielt eingehen.
Im Rahmen der derzeit laufenden Ausstellung „Krieg. Trauma. Kunst. Salzburg und der erste Weltkrieg“ konnten da auch schon einmal Speisen verkostet werden, die nach Kriegs-Spar-Rezepten eigens für die Gruppe zubereitet wurden. „Wir wollen möglichst viele Sinne ansprechen, um die Stimmung, den Grundgedanken der Ausstellung zu vermitteln.“ So werde mit Zimt wird der Geruchssinn angesprochen und so können etwa weihnachtliche Gefühle, die man beschreibt, besser nachvollzogen werden, so die Kunstvermittlerin Al-Masri.
Das Salzburg Museum arbeitet seit Jahren an der Weiterentwicklung von speziellen Programm für ALLE. Und manchmal wird der Spieß auch einfach mal umgedreht: „Sehende haben die Möglichkeit mit Dunkelbrille und Langstock die Ausstellung mit Hilfe von blinden und seheingeschränkten Personen zu erkunden. Da passieren spannende Dinge“, weiß Josef Schinwald vom Blinden- und Sehbehindertenverband.
Einmal mit Dunkelbrille vor der Nase hilflos durch die weiten Säle eines Museums tappen - das kann so scheinbar unspektakuläre Folgen haben, wie ein wenig mehr Verständnis für die ältere Dame an der Supermarktkasse, die ein wenig mühsam in ihrem Geldtäschchen sucht… Inklusive Kulturvermittlung sei aber auch in gesellschafts- und wirtschaftspolitischer Hinsicht ein wichtiger Faktor, betont Martin Hochleitner, der Direktor des Salzburg Museum. Mit einem Besucher mit einer Beeinträchtigung kämen meist zwei weitere Personen als Beleitung mit ins Museum: „So haben wir die Möglichkeit eine völlig neue Zielgruppe für den Kulturgenuss zu begeistern und das meist nachhaltig.“
Auch Kultur- und Soziallandesrat Heinrich Schellhorn sieht die weitreichenden positiven Folgen inklusiver Kulturvermittlung: „Früher meinte man mit Barrierefreiheit die Zugänglichkeit der bebauten Infrastruktur. Heute geht es viel weiter. Wir sprechen von universellem Design. Produkte, Umfelder, Programme, Dienstleistungen, aber auch Hilfsmittel müssen so gestaltet sein, dass sie möglichst allen Menschen, notfalls mit nur wenigen Anpassungen, zur Verfügung stehen.“ Zudem würden nicht nur „Beeinträchtigte“, sondern alle Besucher davon profitieren, „wenn schwer zu öffnende Türen, klein gedruckte Texte, schlecht ausgeleuchtete Räume, fehlende Orientierungshilfen und mangelnde Sitzgelegenheiten in Kultureinrichtungen bald der Vergangenheit angehören“.
Initiativen dieser Art setzt man natürlich nicht nur im Salzburg Museum. Um den „Internationalen Tag des weißen Stockes“ am 15. Oktober machen Blindenorganisationen weltweit auf die Bedürfnisse blinder und sehbehinderter Menschen aufmerksam. Schwerpunkt heuer in Österreich: Inklusive Kulturvermittlung. Dafür, dass es nicht bei reinen „Aktionswochen“ bleibt, sorgen langfristige Initiativen direkt in den Institutionen, wie sie das Salzburg Museum in Zusammenarbeit mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband anbietet.
Tatsächlich sind die Versuche, möglichst allen Menschen den Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen, mehr als milde Gaben: Die UN-Behindertenkonvention schreibt einen gleichberechtigen Zugang zu Kunst und Kultur vor.