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Gerechtigkeit auch für Bleichgesichter!

SALZBURG MUSEUM / MIT GESCHICHTE SPIELEN

21/10/22 Das Herz geht einem auf: Die Indianerfiguren aus Plastik kamen in den 1960er Jahren Stück um Stück aus jeder Packung Linde-Kaffee zum Vorschein. Sie waren begehrte Tauschobjekte in der Volksschule. Häuptling mit Friedenspfeife gegen Trapper am Marterpfahl, das war ein guter Handel.

Von Reinhard Kriechbaum

Das Lego-Kanu mit Indianerjungen kugelte im Kinderzimmer einst auch herum. Tomahawk,Pfeil und Bogen und einen Wigwam zum Spielen im Garten hatte der Schreiber dieser Zeilen natürlich auch. Das Pocahontas-Puzzle aus dem Hause Ravensburger setzte dann die Tochter zusammen. Vielen solchen Dingen begegnet man in der Kunsthalle des Salzburg Museums, und im Hintergrund vernimmt man dazu den Gus-Backus-Schlager Da sprach der alte Häuptling der Indianer. Da möchte unsereiner gleich mitsingen. Text geht auswendig, seit Kindertagen.

Mit Geschichte spielen. Es geht in dieser Ausstellung darum, ob jenes Bild, das Spielzeug vermittelt, auch nur einigermaßen die historische Realität spiegelt.Tut es natürlich meist nicht. „Indianer*innen sind keine Abbilder der Ersten Amerikaner*innen, sondern verdichtete Zerrbilder oder seltsame Karikaturen, die es zu hinterfragen gilt“, wird man auf einer Texttafel gewarnt. Sind schon rechte Spielverderber, die politisch Korrekten!

Natürlich liegt ein Winnetou-Band von Karl May in einer Vitrine. Der hat fleißig Reiseberichte gelesen und so seine Abenteuer-Romane unterfüttert. Gleich daneben hängt ein Aquarell von dem Salzburger Hubert Sattler, Chono Ca Pe, Häuptling des Otoe-Stammes. Wer den Bildtext genauer liest, entdeckt den Hinweis: gemalt „nach Charles Bird King, Salzburg 1850“. Also auch nur ein Second-hand-Indianerbild? Immerhin ist Hubert Sattler dann auch weit gereist und hat Indianer, pardon, Erste Amerikaner*innen von der Nähe gesehen.In einer kanadischen Flusslandschaft wirken sie dann aber doch eher als Staffage-Figuren nach Gusto der mitteleuropäischen Ausstellungs-Kundschaft der Epoche.

In einer Vitrine steht ein Spielzeug aus dem Disney-Filmimperium, der schlacksige Sheriff Woody aus der Toy Story. Da kommt uns in den Sinn: Korrektur unseres Indianerbildes sehr gerne – aber dann bitte auch Gerechtigkeit für die Bleichgesichter!

Das Indianerfräulein Pocahontas begegnet uns dann übrigens an überraschender Stelle in der Ausstellung nochmal, in der Prinzessinnen-Abteilung zwischen Sisi und Diana. Die Tochter eines Häuptlings ist nicht alt geworden (1595-1617), aber in die koloniale Geschichtsschreibung ist sie eingegangen, weil sie den englischen Tabakpflanzer John Rolfe geheiratet hat. Die erste bekannte offizielle Ehe zwischen Rot und Weiß.

Was geht im Kinderzimmer eigentlich noch, und was geht gar nicht? Das Ritterspielen scheint nicht ganz verwerflich zu sein, denn – eine überraschende Erkenntnis – es spielten schon Ritter-Buben im Mittelalter mit Spielzeug-Rittern. Hubert Sattler ist auch da für ein Gemälde gut. Die Burg Hohenwerfen schaut wenigstens wirklich genau so aus, wie sich Kinder eine Burg vorstellen – die Playmobil-Burg stinkt dagegen deutlich ab. Von den Rittern ist es nicht weit ins Fantasy-Genre. Da erwartet man sowieso saftige Mythen und keine wahren Historien.

Pirat haben wir auch gern gespielt. Was erfahren wir dazu in der Ausstellung? Mit zu erbeutenden Goldschätzen war's in Wirklichkeit nicht weit her. Die meisten Piraten waren arme Hunde, die bestenfalls säckeweise Gewürze erbeuteten. Die haben sie dann weiterverkauft – sie waren Krämerseelen statt Abenteurer. Wie ließ schon Gus Backus seinen Häuptling singen: Hart ist das Leben, schwer ist der Beruf.

Kriegsspiele – eh klar, die gehen aus politisch korrekter Perspektive gar nicht. Für das Spiel Blitzkrieg haben die chinesischen Hersteller nicht die Sache an sich und auch nicht das Nazi-Design, aber wenigstens das Hakenkreuz entschärft. Das hat nun wirklich nichts zu suchen in den Kinderzimmern. Aber generell geht einem schon durch den Kopf: In der Ausstellung fehlt völlig der Gedanke, dass Spielen ja auch eine psychohygienische Komponente haben kann. Im Kinderzimmer kann man auch schlechte, falsche Dinge „durchspielen“.

Irgendwo in der Schau kommt auch „Kreativität im Spiel“ vor, aber das ist mit ein paar Sätzen erledigt. Dafür geht’s von Ritterfräulein zur Barbie, vom Playmobil-Tanzbär (gegen den die Tierschützer mobil machten) zu Obelix mit Hinkelstein (aus schmeichelfeinem Stoff). An reizvollen Geschichten mangelt es nicht. Das historische Erinnerungsspiel 30 Jahre Fall der Berliner Mauer (inklusive Trabi) hat Kinder vermutlich nicht vom Hocker gerissen. Aber so eine richtig nostalgische Strichmanderl-Graphik auf dem Commodore64, das war damals was.

Zur Ausstellung in der Kunsthalle des Salzburg-Museums gibt es eine Ergänzung im Spielzeugmuseum. Dort hat man historische Papiertheaterbögen vergrößert, und in diesen Kulissen können die Kinder allerlei spielen. Zum Beispiel ein Hemd mit Ritterrüstungs-Gewicht anprobieren oder Kreidezeichnungen in einer prähistorischen Höhle hinterlassen.

„Mit Geschichte spielen“ im Salzburg Museum, „Geschichte erleben – eine Zeitreise in fünf Stationen“ im Spielzeugmuseum – beides bis 12. Februar 2023 – www.salzburgmuseum.at
Bilder: dpk-krie

 

 

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