Karajan in allen Rollen?
SALZBURG MUSEUM / DAS GROSSE WELTTHEATER"
16/07/10 Das waren Zeiten, als einem Herbert von Karajan nicht nur aus jedem Schuhgeschäft, sogar aus Auslagen von Bäckereien und Drogerien entgegen blickte. Das war eine Festspiel-Ära, in der das Publikum einem "Star" hemmungslos anhing, aber die Schallplattenkonzerne die werbe-mediale Ausschlachtung der Festspiele fest in der Hand hielten.SALZBURG MUSEUM / DAS GROSSE WELTTHEATER"
16/07/10 Das waren Zeiten, als einem Herbert von Karajan nicht nur aus jedem Schuhgeschäft, sogar aus Auslagen von Bäckereien und Drogerien entgegen blickte. Das war eine Festspiel-Ära, in der das Publikum einem "Star" hemmungslos anhing, aber die Schallplattenkonzerne die werbe-mediale Ausschlachtung der Festspiele fest in der Hand hielten.
Auch in der Schau „Das Große Welttheater. 90 Jahre Salzburger Festspiele“ steht und sitzt einem Herbert von Karajan gegenüber. In einer riesigen Fotomontage scheint er jede Rolle im Festspielgeschehen einzunehmen und auszufüllen. Sogar Abendkleid- und Dirndl-Trägerinnen sind als "Karajaninnen" hergerichtet. Links im Eck spielt er sogar Cello - eine ironische Anspielung darauf, dass der Cellist unter den Dirigenten, Nikolaus Harnoncourt, in Karajans Zeiten beharrlich ausgesperrt geblieben ist?
Der Ausstellungsabschnitt „Being Herbert von Karajan“ - Achtung, Kultfilmzitat! - könnte einen Festspielbeobachter, der nur die Gegenwart kennt, staunen lassen. Selbst hat man es ja erlebt und weiß, dass eine kulinarische Ausstellung wie diese nur häppchenweise Geschichte aufdecken kann. Dass damals in Wahrheit die Bosse der Schallplattenfirmen die echten und eigentlich uneingeschränkten Festspielherrscher waren – so etwas lässt sich schwer beweisen und in einer Ausstellung, die ein Massenpublikum ansprechen soll und entsprechend haptisch ausgerichtet sein will, natürlich nur schwer aufbereiten.
Für's Schauen will gesorgt sein: Das Leben und Sterben des Jedermann wird durch einen perspektivischen Theatertrick ins Heute transferiert. Besondere Requisiten aus verschiedensten Inszenierungen werden in Reagenzgläsern als Versuchsobjekte der „Moderne“ gezeigt. Die Verehrung Mozarts wird mit einer Skulptur in einem Leichensack ironisiert. Das Gründungsmanifest von Hugo von Hofmannsthal kann jeder Ausstellungsbesucher selbst nachlesen und mitnehmen.
Einen außergewöhnlicher Ausstellungsparcours hat sich Virgil Widrich ("checkpointmedia Wien") der künstlerische Leiter der Ausstellung für dieses "Große Welttheater" im Salzburg Museum ausgedacht. Dass sein Vater Hans Widrich über Jahrzehnte als Pressesprecher für den "Konzern" Festspiele zuständig war, ist gewiss kein Fehler gewesen: Der Sohn mag in seiner Jugend vieles aufgeschnappt und auch jetzt so manches erfragt haben, das zu wissen und weiterzuerzählen sich lohnt.
Man wandert also entlang von exemplarischen Originalobjekten, sieht Filmausschnitte, kann sich einlassen auf Hörsequenzen. Fotos, Figurinen und multimedialen Inszenierungen bilden den besonderen Rahmen dieser Ausstellung. Er findet seinen Höhe- und Endpunkt in der zentralen Installation der „Weltbühne“ und erinnert an große Inszenierungen. Eine Zeitleiste von 1920 bis zur Gegenwart begleitet das Publikum durch die Ausstellung. Zusätzlich zur Chronologie werden Einsichten in wichtige Ereignisse gegeben und vertiefende Themenschwerpunkte gesetzt.
Figurinen illustrieren die unterschiedlichen Herangehensweisen der Kostümgestalter. Unter anderem werden Richard Mayrs Kostüm des Ochs von Lerchenau, Grace Bumbrys Carmen-Kostüm oder das Traviata-Kleid der Anna Netrebko gezeigt. Wertvolle Autographe wie Max Reinhardts Regiebuch zum Jedermann, Joseph Messners Partitur der Festspielfanfare, Gottfried von Einems handschriftlichen Noten zur Oper "Dantons Tod" oder die gerade fertiggestellte Partitur Wolfgang Rihms zur heurigen Uraufführung der Oper "Dionysos" lassen die Werkentstehung nachvollziehen. Pressestimmen über die Salzburger Festspiele geben einen Einblick in die Geschichte aus Sicht der Medien.
Im Erdgeschoß des Salzburg Museum wird in einem eigenen Ausstellungsraum der Buchstabe „B“ wie barocke Feste veranschaulicht. Die Inszenierung stellt Claudio Monteverdis Oper L’incoronazione di Poppea mit Kostümen, Requisiten und Filmausschnitten in den Mittelpunkt. Bühnenbildentwürfe aus dem Salzburger Universitätstheater und barocke Guckkastentheater lassen mit Ansichten des Heckentheaters im Mirabellgarten und des Steintheaters in Hellbrunn den Glanz barocker Feste in Salzburg erahnen. – "Festspiele" haben sich ja schon die Erzbischöfe geleistet.
Man hat sich also vom ursprünglichen Festspielgedanken inspirieren lassen. Nach dem Motto "Die ganze Stadt ist Bühne" hat man also andere Institutionen – Dommuseum, Museum der Moderne, Stiftung (mit Mozarts Geburtshaus) eingebunden und zu eigenständigen Präsentationen angeregt. Neben musealen Einrichtungen ist auch die Stadt selbst Träger dieser Ausstellung: Die Kollegienkirche beispielsweise beherbergt den Buchstaben „E“ wie Expertiment, das Arthotel Blaue Gans zeigt unter dem Begriff „V“ wie Vanity prominente Persönlichkeiten bei den Salzburger Festspielen. (Salzburg Museum/dpk-krie)