Schneewittchen auf der Vespa
SPIELZEUGMUSEUM / ES WAR EINMAL...
18/10/17 Kind müsste man sein. So gelenkig und vor allem so klein. Väter über eins neunzig und Großmütter mit steifem Kreuz haben schlechtere Karten in der neuen Sonderausstellung im Salzburger Spielzeugmuseum: „Es war einmal... Märchenwelten“
Von Reinhard Kriechbaum
Der lange Gang im ersten Stock ist in einen Wald, einen Märchenwald verwandelt, aus Laubsägebäumen und kleinen Häuschen. Knusperhäuschen natürlich auch, aber Dornröschen hat ebenso ein Hüttchen wie Rotkäppchen und Aschenputtel. In dessen Häuschen kann man Schuhe anprobieren. Das ist bekanntlich nicht ganz unwichtig, wenn der Prinz auftaucht. In einer Nische kann man Prinzessin spielen und ausprobieren, wie es sich auf einer Erbse sitzt.
Die Märchenhäuschen sind Hör- und Schaustationen. Zum Hören gibt es die Märchen auch in neueren Textgestalten. Tomi Unterer lässt sein Schneewittchen (Zloty) nämlich ziemlich un-grün auf der Vespa durch den Wald bolzen. Sie überfährt den bösen Wolf und der landet zuletzt in einer Hundehütte. In einer anderen neuzeitlich verwandelten Geschichte hat Dornröschen zwar Dornen, aber nicht in der Hecke, sondern in Form einer Zahnspange im Mund. Das ist ziemlich uncool. Irgendwie trostreich, dass auch der Märchenprinz eine Zahnspange trägt...
„Jedes Kind wächst mit Erzählungen und Märchen auf“ sagt Karin Rachbauer-Lehenauer, die Leiterin des Spielzeugmuseums. „Die beliebten Geschichten sind häufig verfilmt und abgedruckt worden. So entstanden daraus auch viele Varianten und Neuinterpretationen.“ Diese würden von den Kindern ohne weiters den alten Originalen zugeordnet, also gut verstanden. Die archaischen Motive seien letztlich immer die gleichen, aber manches werde eben immer wieder der Zeit angepasst. Mit der Dienerfigur des „Eisernen Heinrich“ etwa könnten heutige Kinder vermutlich wenig anfangen, er wird meist raus redigiert. Bei den Brüdern Grimm heißt besagtes Märchen noch „Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich“.
Übrigens sind Erwachsene echt im Nachteil in dieser Ausstellung, es sei denn, sie machen sich klein und lugen in die Häuschen. Dort sind nämlich auch die kulturhistorischen Objekte verborgen und somit den Kindern ganz, ganz nah gerückt. Da wartet Dornröschen in Form einer bezaubernd schönen Puppe aus dem Jahr 1920. Im Rottkäppchen-Haus ist die Geschichte in Form anhand von Zinnfiguren (Offizin Wollner, Wien um 1900) zu betrachten. Der Jugendstil war natürlich eine große Zeit auch für die Märchen-Illustration, „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ als Bildgeschichte (1901/02) ist ein Beispiel dafür. Aber wie gesagt: Auf alle Viere muss man sich begeben, wenn man diese Schätze sehen wollen. Wie üblich gibt es für die Kinder viel zum Spielen (man kooperiert mit der „Spielzeugschachtel“).
Die Brüder Grimm haben angenommen, dass die Wurzeln und Motive der von ihnen gesammelten Märchen viertausend Jahre zurückreichen. Fest steht: Was in Märchen angesprochen und immer wieder zeitnah adaptiert wird, entspricht Grundbedürfnissen, und nicht nur jenen der Kinder.