Mehr als Trachten und Brauchtum
MUSEUM DER MODERNE / FOLKLORE
06/10/17 Die Folklore ist Gebiet mit sehr vielen Provinzen. Die neue Folklore-Ausstellung im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg könnte vielfältiger nicht sein. In einer Zeit der Globalisierung gewinnt ihr Gegenteil, die Regionalität, an Bedeutung. Dies deutete die Leiterin des Museums der Moderne am Freitag (6.10.) bei der Presseführung durch die Schau an.
Von Werner Thuswaldner
Gottfried Herder sprach unentwegt vom „Volk“ und seinen Hervorbringungen (Volksmärchen, Volkslieder etc.). Wir reden von Volkskunst, von Volksmusik und von Volkskunde. Manche tun das nicht so gerne, weil sie sich daran erinnern, wie die Sujets vom Nationalsozialismus missbraucht worden sind. Der „Asphaltkunst“, insbesondere die „Asphaltliteratur“, wurde die edle, mit den Begriffen „Blut und Boden“ verbundene Heimatkunst gegenübergestellt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich der angelsächsische Begriff „Folklore“ durch. Zur Begriffsfamilie gehört auch die abwertende Bezeichnung „folkloristisch“.
Das Museum der Moderne zeigt eine weitgehend unbefangene Herangehensweise an die Thematik. Die Kuratorin Antonia Lotz machte sich daran, die Bestände des Museums und die Leihgaben der Generali Foundation nach Belegen zu durchforsten. Es geht dabei nicht um die pure Folklore, sondern um Werke, mit denen sich Künstlerinnen und Künstler auf die Folklore bezogen haben. Zu sehen ist also, wie Künstler und Künstlerinnen auf ihre spezielle Weise Motive aus der Folklore aufgenommen und verarbeitet haben. In der klassischen Musik (Gustav Mahler, Bela Bartok etc.) ist dies häufig geschehen und ebenso in vielen anderen Bereichen bis hin in die moderne Architektur.
Der britische Künstler David Hockney hat Märchen der Brüder Grimm illustriert. Einige der Radierungen sind in der Schau zu sehen. Im Familienunternehmen „Hofer-Trachten“ wurden bis 2003 Wolljanker produziert und man ging in den 1970er-Jahren mit dem Designer KENZO eine Kooperation ein, im Rahmen derer er die Gilets in seine Modekollektion mitaufnahm. Kathi Hofer hat diesen Aspekt ihrer Familiengeschichte erst durch Zufall herausgefunden, als sie vor ein paar Jahren in einem 2nd-Hand Laden in New York eine dieser Wolljanker entdeckte.
Serien von Fotoarbeiten dominieren die Ausstellung. Etwa eine frühe Arbeit von Rainer Iglar, der den Besuch des KZ Mauthausen eindrucksvoll dokumentiert. Michael Mauracher und Kurt Kaindl, die beide dem Stellenwert der Fotografie in Salzburg hohe Geltung verschafft haben, leisteten durch die Problematisierung des Themas in Fotoserien das, was der „neue Heimatroman“ in der Literatur geleistet hat. Um die akustische Komponente erweitert präsentiert sich die Fotoserie von Norbert Brunner und Michael Schuster. Sie dokumentieren die lautliche Veränderung des „Vaterunsers“ und zeigen, wie sich die Sprache parallel mit den Ortsbildern verändern.
Die Folklore hat Weitungen in den Bereich spirituell-religiöser Vorstellungen. Daran wird man angesichts der Arbeiten von Heinz Frank und Lois Weinberger erinnert. Letzterer ließ sich beim Bau eines „Schneemanns“ von Praktiken des Voodoo inspirieren. Erwin Wurm macht sich mit einer Parade von Essiggurkerln wichtig. Das Publikum nimmt ihm diese lapidare Kreation seltsamerweise als besonders humorvoll ab.
Viele Anstöße zu Überlegungen werden in der Schau vermittelt. Man stellt sich etwa die Frage, was die Lederhosen- und Dirndl-Welle zu bedeuten hat, die uns gerade überrollt. Oder: Warum kann man nicht eine hellgraue Leinenjacke mit dunkelgrünen Umrandungen anziehen, ohne sich als Mitglied der ÖVP zu outen?