Mittels Kreativität überleben
MUSEUM DER MODERNE / AUF/BRUCH
30/06/17 Wie erging es jüdischen Künstlerinnen aus Deutschland und Österreich nach ihrer Emigration in den dreißiger Jahren? Die Ausstellung „Auf/Bruch“ im Museum der Moderne stellt vier von ihnen vor.
Von Werner Thuswaldner
Die Emanzipation war in aufgeklärten Kreisen in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg immerhin schon so weit fortgeschritten, dass auch junge Frauen eine künstlerische Ausbildung durchlaufen konnten. In Berlin schlossen sich Grete Stern und Ellen Auerbach – beide kurz nach der Jahrhundertwende geboren - nach einem Kunststudium und einer fotografischen Ausbildung 1929 zu einem gemeinsamen Atelier mit dem Namen „ringl + pit“ zusammen. Erfolge in der Werbeindustrie stellten sich ein, wie Beispiele aus dem Bereich der Haarkosmetik zeigen. Was die beiden betrieben, war angewandte Kunst. Es gelang ihnen, hohe ästhetische Standards durchzusetzen, der Übergang zwischen Auftragsarbeiten und freien Sujets war fließend. Die Gemeinsamkeit ging so weit, dass die Ergebnisse nicht der einen oder der anderen zuordenbar sind. Aber viel Zeit, sich zu etablieren, blieb nicht. Ellen Aschenbach ging nach New York, Grete Stern nach Buenos Aires. Grete Stern wandte sich der Psychoanalyse zu und lieferte Anschauungsmaterial für Angstvorstellungen von Frauen. Ellen Aschenbach interessierte sich für katholische Kirchenbauten in Mexiko.
Friedl Dicker-Brandeis aus Wien war ausgebildete Architektin und eine vielseitige Gestalterin und Malerin. Als Architektin hinterließ sie ein beachtliches Werk, das ihre Leistung im Bereich der Raumgestaltung besonders betont. Sie wurde, weil sie Kommunistin war, 1934 gefangengenommen und später in Theresienstadt festgehalten. Dort widmete sie sich intensiv der Kunstpädagogik. Friedl Dicker-Brandeis wird in der Ausstellung auch als beachtliche Malerin gezeigt, die in ihren Bildern traumatische Erfahrungen ihrer Lebensgeschichte – z. B. „Das Verhör“. Schließlich wurde sie in Ausschwitz ermordet.
Elly Niebuhr (1914-2013), ebenfalls Wienerin, ist die jüngste der vier Künstlerinnen. Sie studierte an der berühmten Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien und bekam eine Ausbildung als Modefotografin im Fotostudio Hella Katz. Ihr sind eindrucksvolle Fotodokumentationen des „Roten Wien“ mit seinen beispielhaften Wohnbau-Initiativen und seinen sozialen Einrichtungen zu verdanken. Aus dem amerikanischen Exil kehrte Elly Niebuhr durch Vermittlung des kommunistischen Kulturstadtrats Viktor Matejka nach dem Krieg nach Wien zurück – und zu ihren Themen, der Sozialreportage und der Modefotografie. Der Zwang, Geld verdienen zu müssen, war für die Alleinerziehende stets gegeben.
Die Ausstellung – zwei Kuratorinnen, Christiane Kuhlmann und Beatrice von Bormann haben gute Arbeit geleistet – umfasst rund zweihundert Werke, die von vielen Leihgebern zur Verfügung gestellt wurden, darunter das Folkwangmuseum mit 45 Werken. Die Leistungen von Künstlerinnen im Exil ist noch viel zu wenig herausgestrichen worden. Viele Jahrzehnte sind vergangen, bis man sich nun – abgesehen von spärlichen Ansätzen in der Vergangenheit – an sie erinnert. Dieser Ausstellung werden noch zwei weitere mit derselben Thematik folgen.