Ripperl und Hüftstücke
GALERIE IM TRAKLHAUS / KERAMIK-PREISE 2015
05/03/15 Sind wir irrtümlicherweise im Haus der Natur gelandet, in der Saurier-Halle? Nein, doch nicht verirrt. Auch wenn da, auf gut acht Quadratmetern fein säuberlich dicht an dicht drapiert, Knochen sonder Zahl auf dem Boden liegen.
Von Reinhard Kriechbaum
Es ist eine doppelte Täuschung: Erstens ergeben die Ripperl und Hüftstücke, auch wenn man das vermeintliche Puzzle aufs Sorgfältigste zusammensetzen wollte, keineswegs einen kompletten Saurier. Auch keine Menschen oder sonst etwas, was kreucht und fleucht. Zweitens sind all die vermeintlichen Knochen aus Ton. „Frei von der Leber weg“, habe er diese Keramik-Knochen geformt, berichtet Daniel Wetzelberger, der aus der Steiermark kommt.
Es geht in der neuen Ausstellung in der Galerie im Traklhaus um den Keramik-Landespreis. Nach aktuellem Stand wird er alle fünf Jahre vergeben (früher waren die Intervalle zwei oder drei Jahre). Mit dieser eher raren Kunst-Spezies hat Dietgard Grimmer für ihre Galerie so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal österreichweit. Sogar der Bund investiert (in den Katalog), so außergewöhnlich ist’s.
Wer mit Keramik irdene Gefäße assoziiert, wird eines Besseren belehrt. Zwei schlanke Damenbeine hat die Salzburgerin Ute Lehmann beigesteuert. Es war ein langer, mit Fotomontagen dokumentierter Überlegungs-, Abstraktions- und Form-Prozess, bis diese „Legs“ geformt waren. 750 Arbeitsstunden habe sie aufgewandt, erzählt die Künstlerin.
Nicht wenig Vorarbeiten waren auch für eine Werkserie von Heidrun Weiler notwendig. Die Mozarteum-Absolventin hat verlorene Handschuhe fotografiert und nun in – meist weißer – Keramik genau so nachgebildet, wie sie armselig da lagen. Auf Regalen liegen sie, aber auch im Hof des Traklhauses entdeckt man zwei dieser Dinge.
Der Keramikpreis, für den es diesmal fünfzig Einreichungen aus ganz Österreich gab, ist immer auch eine Fundgrube für verschrobene Ideen: Frank Louis, aus Hannover stammend, jetzt Professor an der Kunstuniversität in Linz, hat aus weißem Ton Wolken nachgebildet und sie mit alten Flugzeug-Sitzgurten an die Wand montiert. „Cumulus mediocris“ heißt das luftig wirkende, aber doch gewichtige Werk. Andreas Vormayr (aus Oberndorf ) lässt vegetative und andere Formen üppig aus dem Boden wachsen. Die „Inka-Mauer“ von Martina Funder (sie hat den Keramikpreis in den neunziger Jahren schon mal bekommen) besteht aus Ton-Ziegeln. Hoch ist sie nicht geworden, diese Mauer, und auch die Matratze mit hellblau glasierter Oberfläche hat ein Loch. „Zeitzünder“ nennt Verena Gaudy, eine Grazerin, amorphe Objekte mit regelmäßig gerasterten Einstichen. Man könnte diese Dinge als exquisites Design für Lautsprecher ansehen, aber sie haben keine Funktion, nur ästhetische Wirkung.
Gefäße gibt es schon auch: Die Goldrand-Schalen von Andrea Baumann sind groß, extrem dünnwandig, ein wenig aus der Form geraten – und viele passen ineinander, so dass das Ergebnis wie ein Blütenkelch aussieht. Matthias Kaiser hat Vasen und Tassen geschaffen, von denen manche wie Metallobjekte wirken. Die Glasur kann das Auge ja aufs Glatteis führen. Originell, was der Innsbruckerin Maria Meusburger-Schäfer eingefallen ist: Sie hat Deckel von alter Keramik hergenommen, weiße und mit Blumendekor verzierte, und sie roh behauenen Gefäßen aus Ytong aufgesetzt.
Ton drängt sich nicht auf als Trägermaterial für Dinge, wie sie Wilfried Gerstel macht: Dunkle Keramik-Platten, aus denen er mit dem Skalpell (und mit enormer Geduld) Schrift und alte Piktogramm-Motive herausarbeitet. Aus der Kombination entsteht überraschend Neues.
Die Juroren hätten in ihrer Auswahl darauf Wert gelegt, ein breites Spektrum des österreichischen Keramik-Schaffens abzudecken, sagt Dietgard Grimmer. Ganz leicht wird es die Jury nicht haben, wenn sie gegen Ende der Ausstellung zusammentritt und aus den siebzehn Kandidaten den Preisträger oder die Preisträgerin herausfiltert. Außer dem Hauptpreis (6.000 Euro) gibt es auch zwei Stipendien (je 2.500 Euro).