Percht trifft Affengott - man versteht sich bestens
PODIUM 2010 / MEDICINE MOUNTAIN - LEARN TO LOVE IN SEVEN DAYS
23/03/11 Tresterer und Perchten, Affenmaske und Elefantenmensch. Und wenn man genau schaut, trägt der „Tresterer“ zum bunten Bänderwerk eine Affenmaske. Dazu glitzernde Pyramiden oder weiße Bergspitzen: So fremd sie ausschauen, erinnern die im Schnee stapfenden Träger an die berühmten Glöckler in Stainach.
Von Heidemarie Klabacher
Man wähnt sich mitten im heimischen Brauchtum - und ist gleichzeitig mitten in einem komplexen Gedankenkonstrukt, aber auch mitten in einer fremd-vertrauten Welt, in der „Kulturgrenzen“ zum Fließen gebracht wurden.
"Medicine Mountain - Learn to Love in Seven Days“ heißt das Projekt. Das Künstlerkollektiv Peter Kozek, Ruby Sircar, Thomas Hörl und Wolfgang Meisinger hat für dieses Projekt einen der Preise im Rahmen von „Podium 10“ erhalten. Heute Mittwoch (23.3.) wird im Künstlerhaus die Präsentation eröffnet. Was also ist zu sehen?
Von 6. bis 12. Dezember 2010 hat das Künstlerkollektiv in Stadt und Land Salzburg insgesamt sieben Performances inszeniert - an sieben spannenden Orten: Die Masken zogen vom Steintheater in Hellbrunn auf die Dachlandschaft des „Europark“. Sie waren vor der St. Nikolaus Kirche in Golling und im Heimathaus Altenmarkt. Sie machten "Canyoning" bei den Gollinger Wasserfällen, tanzten auf der der "Do-Re-Mi-Wiese" in Werfen und umkreisten den Jägersee.
Die Aktionen wurden gefilmt. Die Dokumentationen sind bis Sonntag (27.3.) in insgesamt sechs Filmfenstern im Atelier Peter Haas im Künstlerhaus zu sehen. Der siebenteilige Trailer dauert siebzig Minuten.
Frau Percht und Tresterer trafen bei den Aktionen nicht nur auf ihresgleichen, sondern auch auf kultische Figuren aus dem Hinduismus. Wie geht das zusammen? Die Alpen spielten in zahlreichen internationalen Bollywood-Produktionen eine immer größere Rolle. Neuerdings gehe man dabei nicht mehr nur nach Tirol oder in die Schweiz, sondern auch in das Bundesland Salzburg, wo man beides habe, die unverkennbare Stadtkulisse und die Berge.
„Sobald in Indien die Alpen, oder eben hohe Berge, ins Bild kommen, denken die Menschen automatisch ‚Sitz der Götter’. Das ist eine Landschaft, die absolute Reinheit und die ganz reine heterosxuelle Liebe zwischen Göttinen und Göttern symbolisiert, die dort ihren Sitz haben“, erzählt Ruby Sircar. In dieser Umgebung treiben sich aber auch - „unsere“ - Masken herum, die „mit dem Gender-Aspekt spielen“: „Es gibt Männer, die sich als Frauen verkleiden, die sich als Männer verkleiden.“ Dieser Gegensatz - Berge als Sitz reinster Götterliebe und Spielwiese für das Changieren zwischen den Geschlechtergrenzen - ist einer der theoretischen Grundgedanken des Projektes.
Sound of Music ist eine Art moderner Mythos zwischen Legende und Kommerz: "Der Bauer dem die Wiese gehört, ist der Neffe von dem Bauern, der damals den Drehort an Hollywood vermietet hat." Die rote Dachlandschaft des Europarks wirkt im Licht der untergehenden Sonne tatsächlich wie ein zinnoberrot gefärbter Tempel: "Außerdem hatten wir dort das gesamte Panorama von Maria Plain bis zum Plattenwerk Kaindl", so Thomas Hörl im Gespräch mit DrehPunktKultur vor der Ausstellungseröffnung.
Das Künstlerkollektiv hat diesem Projekt umfassende wissenschaftliche volkskundliche Recherchen zugrunde gelegt, etwa mit Ulrike Kammerhofer-Aggermann vom Salzburger Landesinstitut für Volkskundlerin, aber auch mit Vertretern von Brauchtumsgruppen Gespräche geführt.Tatsächlich habe man im Volkskundemuseum im Monatsschlössl eine Maske mit einer Art Rüssel gefunden. "Es war nicht unser Ziel, irgendwelche gemeinsamen Wurzeln zwischen alpenländischer und hindusitischer Kultur ausgraben zu wollen", betont Wolfgang Meisinger. Vielmehr sei es darum gegangen, ob nicht aus allegemein menschlichem Begeheren, aus Sehnsüchten und Ängsten, "vielleicht gemeinsame Mythen oder Riten entstehen".
Das Künstlerkollektiv Peter Kozek, Ruby Sircar, Thomas Hörl und Wolfgang Meisinger hat für dieses Projekt nicht nur einen Podium-Preis erhalten: Das Projekt wird im Sommer nach Tirol weiterwandern, wo die Performer für "Medicine Mountain - Learn to Love in Seven Days" einen Preis für Kunst in offentlichen Raum erhalten haben.
Und was hat es mit dem Titel "Medicine Mountain - Learn to Love in Seven Days" auf sich? Der erste Teil basiert auf einer indische Legende: Ein Affe sucht ein Heilmittel auf einem Berg, findet es nicht, und nimmt schließlich den ganzen Berg mit. Das mit der Liebe bezieht sich auf den Berg als Ort der reinen Liebe zwischen den Göttern. "Das klingt alles sehr komplex. Es ist uns aber auch um das Spielerische gegangen", so Thomas Hörl. Das teilt sich mit.
"Brauchtum" aus einer so erfrischend distanzierten Position und zugleich aus so kenntnisreicher Nähe betrachtet zu sehen, verdient Preise in Salzburg und Tirol. Vielleicht klappt es ja auch irgendwann mit dem Fernziel, das Projekt in Indien abzuschließen.