Nichts für bigotte Seelen
MUSEUMSPAVILLON / VIRGIN NATURE
05/03/24 Wenn sich die „Heilige Erentrude“ tatsächlich so aufführen würde, hätte sie augenblicklich eine Disziplinarkommission am Hals. Man versohlt keine nackten Knaben, schon gar nicht als Hinterglasbild-Heilige! – Renate Hausenblas und Ina Loitzl im Museumspavillon.
Von Reinhard Kriechbaum
In der Serie Heiligenbilder denkt Renate Hausenblas wohlvertraute Motive weiter. Als ganz harmlos-kitschige Miniaturen im Stil unsäglich kitschiger Hinterglasgemälde kommen diese – gottlob erfundenen! – Heiligen und -innen daher. Das hat viel Ironie und manchmal auch eine gewisse Tragik. Der „Heilige Konrad“ ist dem Struwwelpeter entsprungen. Eh schon wissen, der mit dem strafhalber amputierten Daumen. Dazu ein Schriftband: „...der nur bei sich selbst Liebe fand.“ Ein Jugendpsychiater wäre sinnvoller gewesen als „der Schneider mit der Scher“.
Auch Ina Loitzl entwickelt Ideen, die unmittelbar von der religiösen Kunst inspiriert sind. Sie hat eine Art Altar aufgebaut. Dass auf den Kerzen SAKRA und JESSAS MARIA steht, lässt uns gleich schwanen, dass es mit der Heiligkeit nicht weit her ist. Die Maria, die es hier anzubeten gilt, kommt in kessen Dessous daher, als furchteinflößender Zombie und so weiter und so fort. Auch der Gekreuzigte wird nicht verschont. Vor vierzig, fünfzig Jahren noch hätte so etwas unweigerlich einen Blasphemie-Shitstorm erzeugt. Gut, dass der Toleranzpegel unterdessen viel höher liegt.
Sowohl Ina Loitzl als auch Renate Hausenblas geht es ums Weibliche. Virgin nature heißt die Ausstellung. Wir haben mit den religiösen Paraphrasen quasi im Hinterzimmer begonnen. Im großen Vogelhaus-Raum sticht eine aus Zeitungspapier roh gekleisterte, riesige Gebärmutter ins Auge, laut Hausenblas „ein Organ, das für das Schöpferische, das Leben schlechthin“ steht. Daneben überdimensionierte Stoff-Vulvas, die Ina Loitzl genäht und mit allerlei appliziertem Schmuck versehen hat. Die Vulvas sind an Stangen befestigt. Könnten Urvölker bei rituellen Prozessionen solchen Vulvas als Fruchtbarkeits-Fetische herumtragen? Auch in der katholischen Kirche kennt man Prozessionsstangen.
Ob dieser plakativen Schau-Objekte sollte man nicht die poetischen Papierarbeiten der beiden Künstlerinnen übersehen. Ina Loitzl fertigt mit viel Geduld filigrane Papier-Perforierungen, und diese Scheren- oder Messer-Schnitte werden auf Stoff oder Folien montiert, was ihnen eine eminent haptische Wirkung verleiht. Renate Hausenblas arbeitet ebenfalls dreidimensional. Sie stellt aus Papier, Mehl, Wasser und Tempera einen stabilen Verbundkarton herstellt, der sich mit einer Klinge gut überarbeiten lässt.
Beiden Künstlerinnen geht es in diesen Arbeiten um Natur und Körper, und das aus dezidiert weiblicher Sicht. Dass beide sich dabei an der Kirche, sprich: der christlichen Ikonographie reiben, ist eine aufgelegte Sache. Die Ausstellung läuft über Ostern, man könnte zum Neutralisieren des religiösen Überhangs einen Besuch im Museumspavillon durchaus empfehlen. Für allzu bigotte Seelen ist die reizvolle Schau aber vielleicht doch weniger geeignet.