Der Vorrang der Form
DOMQUARTIER / BAROCK / AUSSTELLUNG
18/06/19 Das Domquartier ist die neue Bühne für die Idealisierung einer alten Zeit, die sicher alles andere als ideal war: Das Barock. Die Ausstellung erkennt die Vollendung in der Idee und präsentiert etwa Entwürfe für römische Fresken, Werbeplakate für Papstkandidaten und einen kubistischen barocken Betstuhl.
Von Franz Jäger-Waldau
Rom gilt als der Geburtsort des Barocks. Es war die letzte Kunstrichtung, die sich in ganz Europa verbreitete – und darüber hinaus bis nach Südamerika. In der bedeutenden Sammlung „Rossacher“ im Salzburg Museum finden sich Entwürfe, die zu Schlüsselwerken dieser Kunstepoche werden sollten. Arbeiten von Gianlorenzo Bernini und seinem Atelier sind ebenso vertreten wie von seinem Konkurrenten Alessandro Algardi.
„Wir stellen diesmal nicht einfach nur Objekte aus, sondern auch Ideen“, meint Museumsdirektor Hochleitner. Den Entwürfen sind Großfotos der Werk-Ausführungen beigesellt. Die neue Ausstellung "Von Bernini bis Rubens - Römischer Barock aus der Sammlung Rossacher" vervollständigt das Bild des barocken Roms im Nordoratorium des Salzburger Doms. Dort übertrifft die Idee ihre Vollendung: Die Entwürfe, Modelle und Skizzen wirken oft dynamischer, authentischer und auf unheimliche Weise intimer als ihre großflächigen Ausgestaltungen. Kurt Rossacher scheint zuzustimmen: „Ein Entwurf stellt ein Projekt in der vollen Kühnheit der schöpferischen Phantasie dar“. Rossacher sammelte Entwürfe europäischer Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts. Die im DomQuartier präsentierten Objekte stellen allerdings nur ein Zehntel seiner gesamten Sammlung dar.
Besonders eindrucksvoll wirkt ein beinahe kubistisch anmutender Betstuhl von Gianlorenzo Bernini: Ein Beispiel dafür, wie sehr das Barock die Überformung der Form der Funktion für die Gebrauchenden voranstellt. Nicht umsonst trägt die Epoche den Ruf, irgendwie bereits die eigentliche Moderne gewesen zu sein. Betstühle dieser Art standen in Kapellen römischer Palazzi, die manchmal wie Einsiedlerhöhlen gestaltet waren. Der Aufbau mit getürmten Steinen entspricht den konvexen Steinflächen im Sockel von Berninis Vierströmebrunnen auf der Piazza Navona in Rom.
Die Konzentration auf Beispiele römischer Kunst ist mit dem Thema der kommenden Ausstellung in den Räumlichkeiten der Residenzgalerie abgestimmt. Die Schau „Goldene Zeiten. Holländische Malerei des 17. Jahrhunderts“ wird am 3. August eröffnet. „Darauf antworten wir (vorbeugend) mit den Römern“, sagt Kuratorin Regina Kaltenbrunner.
Der Gang durch die Residenzgalerie wird so zu einem dialogischen Rundgang: Auf der einen Seite die katholisch geprägte Kunst mit Klerus und Adel als Auftraggeber, auf der anderen Seite die protestantischen nördlichen Niederlande mit ihrer republikanischen Staatsform.