Ein Casanova namens Mozart
KLEINES THEATER / DIE WEBERISCHEN
14/04/16 Zuerst verführt er die Frauen, dann bringt er sie zur Verzweiflung, manchmal auch ohne den ersten Schritt: So macht Mozart von sich reden. Dass sich die Sorgen, Nöte und Streitereien der Weberischen Schwestern nicht nur um ihn drehen, dafür sorgt deren Mutter Cilly, die am liebsten alle Fäden ziehen würde.
Von Claudia Maria Kraml
Scheinwerferlicht flammt auf und rückt fünf Personen in den Vordergrund. Wallende Reifröcke und kunstvolle Perücken lassen an der historischen Einordnung der Geschehnisse keinen Zweifel: Es handelt sich um die vier „weberischen“ Schwestern, in deren Mitte sich Emanuel Schikaneder zu erkennen gibt, der diese Rolle jedoch nicht allzu lange wahrnimmt.
Indem er verkündet, Mozarts Leben aus der Sicht der Schwiegermutter Caecilia sehen zu wollen, wird nicht nur dem Verfremdungseffekt Rechnung getragen, sondern auch eine Abfolge pointenreicher Szenen eingeläutet.
Cilly Webers Ehemann ist gestorben und die Töchter sind noch nicht verheiratet, woran die Matrone mit langjähriger Erfahrung im Dunstkreis der Reichen und Mächtigen allerdings dringend etwas ändern möchte. Geschickte Verkupplungen könnten ihrer Sippschaft (und damit letztendlich auch ihr selbst) zu neuem Reichtum verhelfen, dem erstrebenswertesten aller Ziele. Am männlichen Umgang ihrer Töchter interessiert sie folglich in erster Linie das Einkommen. Es gilt, Acht zu geben, dass die jungen Damen nicht auf dumme Gedanken kommen, etwa aufrichtige Liebe oder Zuneigung entwickeln zu jemandem ohne prall gefüllte Geldbörse.
Schon die „Hauptdarstellerin“ sorgt für zahlreiche Lacher. Hans Jürgen Bertram spielt Caecilia Weber. Mit der Geschlechterdiskrepanz geht er so vertraut um, dass man sie schon nach wenigen Szenen wegblendet und sich der Fokus auf die im Hause Weber ständig schwelenden Krisen unterschiedlichster Art richtet. Da kann es schon vorkommen, dass sich Frauen über Puppen und durch die Luft geworfene Babys hinweg ihre Liebhaber streitig machen. Die in ihrer kindlichen Naivität entzückende Sophie (Melanie Arnezeder) kündigt mehrmals ihren Selbstmord an. Die von ihrem Gesangstalent felsenfest überzeugte Aloysia (Iris Maria Stromberger) liefert ein Kreischduett mit ihrer nicht minder selbstverliebten Schwester Constanze (Nadine Mühlböck).
Die Frage, wer nun eigentlich wen heiraten darf und wen Mozart schon alles betrogen hat, ist tagesaktuell zu klären und beginnt schlussendlich sogar die eher spröde Josefa (Theresia Friedl) zu interessieren, die vor einschlägigen Begegnungen mit dem Salzburger von dem Thema noch nicht so angeregt war.
Die eigens für dieses Stück komponierten Songs der Tiger Lillies erinnern zwischendurch an unsere Zeit. Die Ausdrucksmittel harmonieren erstaunlich gut mit den Freuden und Leiden der barocken Lebenswelt. Es sind ja zeitlose Themen, die diese Damen in Atem halten, und so manches ist abseits von brillant inszenierter Situationskomik und im Akkord vorgebrachten Anspielungen gar nicht so sehr dem satirischen Genre zuzuordnen.
Dass der Autor, Felix Mitterer, in dem 2006 erstmals in Wien aufgeführten und im Kleinen Theater mit der Freien Bühne Salzburg durch Helmut Vitzthum inszenierten Stück auch andere Register ziehen kann, wird im zweiten Teil deutlich. Da bewegt man sich plötzlich hin zu leiseren Tönen, die trotz der weiterhin humorvollen Färbung von Geburts- und Stillszenen nicht verbergen können, dass die ständigen Schwangerschaften Constanzes wie auch die Abtreibungen ihrer noch unverheirateten Schwestern die Lebensqualität der Frauen nicht gerade erhöht haben.
Mozart (der selbst ja nicht auftritt in dem Stück) soll also hinter all dem stecken. Er verarmt bis zu seinem endgültigen Abschied von der Welt, was ihn für die selbsternannte „Muttersau“ Cilly seine Attraktivität zur Gänze verlieren lässt – und zwar allein aus diesem Grund.
Wie skandalös das Leben des Komponisten auch gewesen sein mag, am Ende bleibt schließlich doch nur eine Menge an Notenblättern übrig, die die Schwestern in der Hoffnung auf finanziellen Erlös einsammeln. Dabei schwingt neben allen komödiantischen Elementen auch ein bitterer Beigeschmack mit, denn womöglich kann man mit der Fokussierung aufs Geld dann doch nicht alle Bedürfnisse befriedigen. Oder, wie es The Tiger Lillies ausdrücken: „The music you left no money can buy.“