„Exzellenz“ und sein B-Movie-Theater
KLEINES THEATER / FERRAGO
15/03/12 Ein Schauspieler, der nur so tut als ob, der berufsmäßig Menschen schöpft, die es gar nicht gibt? Das übersteigt das Vorstellungsvermögen des himmlischen Herrn. Schließlich ist er nur Gott… – Das Theater Miluna spielt „Farrago“ von der polnischen Autorin Lidia Amejko.
Von Reinhard Kriechbaum
Da schneit er also in den Himmel hinein, der Schauspieler Viktor Farrago. Über seine posthume Karriere muss noch verhandelt werden, denn für Petrus scheint die Sache sonnenklar: Einer, der so oft Erzschurke war, der mit allen Methoden und Geräten Mitmenschen ins Jenseits befördert hat, dem ist die Hölle gewiss. Der Chef, „Exzellenz“, sieht die Sache nicht ganz so eng. Er ist Cineast und schaut besonders gern Kriegsfilme an. Ein Streifen über die Hussitenkriege hat es ihm angetan. Wenn dort Menschen auf Scheiterhäufen brennen, hat der alte Herr gar den Eindruck, „die werden nur für mich entzündet“.
Der Mime Farrago (Jurij Dietz) bringt den Himmlischen recht handgreiflich das Wesen seiner Kunst nahe. „Exzellenz“ (Gerard Es) wird merklich nachdenklich, wenn ihm der Schauspieler erklärt, dass er „von Berufs wegen Wirklichkeit“ erschaffe: „Im Anfang war das Wort und das Wort war beim Regisseur.“ Habe er als Gott den Menschen zu wenig Angebote gemacht, sinniert Exzellenz, so dass sie nun beginnen, sich neue Wirklichkeiten auszudenken? Zu allem Überfluss muss sich der Herr von Petrus (Jurek Milewski) unverblümt sagen lassen, dass er sich ruhig noch zwei Tage hätte Zeit nehmen sollen bei der Welt-Schöpfung. Und dafür die Sache ordentlich, unmissverständlich für die Menschen. „Und den freien Willen hätten sich Exzellenz sparen können.“ Da braucht Herr Gott einen kräftigen Schluck aus dem Doppelliter.
So heiter und pointenreich also kann man Gott infrage stellen. Im erzkatholischen Polen, wo die Autorin Lidia Amejko (geb. 1955) her kommt, wirkt das vermutlich noch ein wenig provokanter als bei uns. Der Theatertext lebt von einer Mischung aus deftigen Kalauern und feiner Pointe, und seine Stärke ist, dass religiöse Grundfragen quasi spielerisch angestupst und nicht bierernst zu Tode diskutiert werden. Wie ist das wohl, wenn Petrus und seiner Exzellenz der Duft „Eternity von Kelvin Klein“ in die Nase steigt?
In der Inszenierung von Grzegorz Matysik, bleibt Petrus, der „einfältige Fischer“, eine Art Oberbuchhalter, der mit dem meist aus dem Off redenden, etwas abgeschlurft daherkommenden Gott ein eigenwilliges spirituelles Führungsteam abgibt. Dem Schauspieler verschwimmt Beruf und Wirklichkeit, und er führt sich auf, als ob für ihn auch das post-mortale Leben nichts als ein B-Movie wäre.