Im Rhythmus von Reptilien im Winterschlaf
ODEION / GLETSCHER
14/03/11 Man fühlt die zur Routine gewordene Unerträglichkeit des Wartens. Destina ist felsenfest davon überzeugt, dass er eines Tages wiederkommen wird; er, ihr Verlobter Hanno, der sich vor mehr als vier Jahrzehnten aufgemacht hat, den Riesenferner zu besteigen. „Gletscher“ – ein Stück der Südtirolerin Margareth Obexer hatte am Samstag (12.3.) im Odeion Premiere.
Von Ursula Trojan.
Destinas ganzes Leben gestaltet sich rund um einen der ersten Sätze des Stücks: „Du – wenn du wieder da bist.“ Die erst kleine, dann heranwachsende, später große und letztendlich selbst schon nicht mehr ganz junge Tochter wird nur am Rande wahrgenommen. Alles ist ausgerichtet auf den Moment der Rückkehr des Vaters.
Ein Glück für die Tochter, dass sie mit gesundem Selbstbewusstsein ausgerüstet wurde. So kann sie der Mutter kontra bieten, kämpft sich tapfer durch den Nebel der verschleierten Beziehung, springt auf der Suche nach ihrem Vater und sich selbst über Gletscherspalten. „Du bist eine ewige Warteschlange“, wirft sie der Mutter vor, selbst nicht gewillt, diese Inaktivität zu teilen. „Wir haben den Rhythmus von Reptilien im Winterschlaf!“
Ein Erzähler hält sich während der ganzen Geschichte auf der Bühne auf. Er leitet durch die mit Jahreszahlen versehenen Stationen der Erinnerungen. Wenn er nicht berichtet, scheint er der ständig präsente Abgängige – Hanno in Person – zu sein. Durch das plötzliche Auftreten eines Freundes von Destina und Hanno damals bekommt das Spiel eine Wendung: War der Angebetete wirklich so, wie ihn sich die Verlassene in Gedanken zurechtstrickt?
In der Reihe „Lebenskünstler“ wird mit dieser Inszenierung die Regisseurin Renate Ourth porträtiert, die das Schauspiel in Innsbruck beim Autorenfestival herausgebracht hat. Als Destina, die Frau in der zeitlosen Warteschleife ist Vera Lippisch sehr überzeugend. Bina Blumencron spielt das lebhafte Gegenstück, ihre Tochter Florinda.
Träger des Stücks ist Peter Mair als ruhig-besonnener Erzähler. Er ebnet den eisigen Boden des Geschehens für die beiden Frauen. Zwischendurch macht auch der Zuschauer die Erfahrung der Langsamkeit eines Reptils im starren Winterschlaf.
Einige Kürzungen täten der Spannung keinen Abbruch, im Gegenteil: Wenn sich „das Blatt wendet“ wäre eine kompaktere Schilderung der Dinge „damals“ eher von Vorteil. „Es wird heiß – und immer heißer!“ kommentiert die Tochter. „Heiter!“ korrigiert die Mutter. Und wirklich: Eines Tages gibt der schmelzende Gletscher den Verschollenen wieder her.