John gehört ordentlich begraben!
KLEINES THETATER / ANTIGONE IN NEW YORK
19.02.2010 Antigone heißt ziemlich banal Anita, aber hartnäckig ist sie wie ihr Antiken-Vorbild: Dass John, ein Obdachloser mit Hauptwohnsitz in einer New Yorker Parkanlage, kein ordentliches Begräbnis bekommen soll, will ihr absolut nicht in den Kopf.Von Reinhard Kriechbaum
Mit einem Wortschwall sondergleichen führt sich Anita ein. Was aus John geworden ist, will sie wissen von Sascha, einem die längste Zeit stumm und in sich gekehrt da sitzenden Sandler. John hat eine Winternacht im Freien nicht überlebt, erfahren wir.
Sascha, ein emigrierter Jude aus St. Petersburg, ist eben frühmorgens aus einer Mülltonne geklettert. Wo Anita, der bunte Vogel aus Puerto Rico die kalte Nacht verbracht hat, erfahren wir nicht und wollen es auch so genau nicht wissen. Und da ist noch der charmante, aber stockbesoffene Floh, ein Pole, der es ebenfalls nicht geschafft hat, in der neuen Heimat Fuß zu fassen.
Der Vierte im Bunde, John, ist also nicht mehr. Irgendwo soll er begraben werden, namenlos. Anita überredet Sascha und Floh, die Leiche zu stehlen. Man begräbt John hinter einer Hecke im Park, dessen Bänke für diese Leute das Zuhause geworden sind. Immer reden sie davon, dass sie heim wollen. Dass das nicht geht, aus unterschiedlichen Gründen, ist klar. "Ich hab doch meine Niere in Polen nicht verkauft, um von hier abzuhauen", sagt Floh trotzig.
Das Theater Miluna spielt im Kleinen Theater, derzeit leider vor ziemlich leerem Haus, des in den USA lebenden polnischen Dramatikers Janusz Glowacki (geb. 1938) Sandler-Stück "Antigone in New York". 1992 ist es entstanden, in New York spielt es - aber es könnte jede Stadt sein, sogar Salzburg. Obdachlose, Ausländer auch, für die kein Platz ist - das ist nicht weit hergeholt.
In der Regie von Piotr Szalsza ist ein buntes Grüppchen herzhaft am Werk und sorgt dafür, dass das Wort "Tragikomödie", das der Autor über sein Stück geschrieben hat, nicht Theorie bleibt: Wie der gebürtige Pole Jurek Milewski sein Temperament aufdreht, wenn er mal nicht (wie über Jahrzehnte in Salzburg) stumme Rollen spielen muss! Jurij Diez, aus Russland stammend, ist der charismatische Sascha. Die ur-witzige und doch hintergründige Bina Blumencron (Anita) kommt aus einer kroatischen Familie. Irgendwie spielen sich da alle auch selbst, und das ist eine Stärke des "Theaters Miluna".
Noch einen Protagonisten gibt es, einen Sergeant (Wolfgang Oliver). Es gibt keine Konfrontation der Sandler mit ihm, er tritt nur in Zwischenszenen auf und erklärt, wie die ordentliche Welt tickt - und wie sie mit den Obdachlosen (gegen die natürlich keiner was hat, wohlgemerkt) umgeht. Wenn freundliche Ermahnung ebenso wenig nützt wie entschiedene Abmahnung, dann tritt "Phase 3" in Kraft: "Mit möglichst wenig Aufwand die menschliche Würde verletzen." Öfters mal bleibt einem in der Tragikomödie das Lachen wirklich im Halse stecken.