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Die Emotionen gehen hoch

SCHAUSPIELHAUS / ENDSTATION SEHNSUCHT

16/09/10 Das Hemd, das Marlon Brando in der Verfilmung des Stücks „Endstation Sehnsucht“ durch Elia Kazan  trug, wurde zu einem Verkaufsschlager. Aber nicht nur das Hemd gelangte zu Ruhm, Marlon Brando auch. Seine Partnerin war damals übrigens noch nicht Elizabeth Taylor, sondern Vivien Leigh… Beginn der Saison des Salzburger Schauspielhauses mit „Endstation Sehnsucht“ von Tennessee Williams.

Von Werner Thuswaldner

Aus dem Stück hat Andre Previn eine Oper gemacht. Es ist so populär, dass sich seiner auch schon die Simpsons angenommen haben. Tennessee Williams (1911 – 1983) folgt in seinen Stücken guter alter europäischer Theatertradition, wie sie etwa Ibsen und Strindberg geprägt haben: Die Seele der Protagonisten wird durchleuchtet und in der Vergangenheit der Figuren herumgestöbert.

Mit „Endstation Sehnsucht“ hat sich das Salzburger Schauspielhaus viel vorgenommen. Im Jargon würde man sagen: Es ist eine Kiste, die nicht leicht zu stemmen ist. Der Jungregisseur Rudolf Frey, der am Ort Heimvorteil genießt und das ein oder andere Mal schon bewiesen hat, wie geschickt er mit den Mitteln der Bühne umgehen kann, schreckte nicht davor zurück. Es ist ein Stück, das lang dauert, drei Stunden. Drei Stunden Theater sind sehr wohl auszuhalten, wenn die Spannung nicht nachlässt und es gelingt, das Publikumsinteresse bei der Stange zu halten.

Für den Beginn, eigentlich für den Teil bis zur Pause, trifft letzteres zu. Danach zieht sich das Geschehen, dem Regisseur, aber auch den Hauptakteuren scheint die Luft knapp zu werden. Am Anfang knistert es richtiggehend, denn man wird hineingestoßen in eine unangenehme Situation von unüberbrückbaren Gegensätzen.

Die schon etwas angejahrte adelige Blanche DuBois besucht ihre Schwester Stella, die in New Orleans unstandesgemäß mit dem Automechaniker Stanley verheiratet ist. Blanche, die als Lehrerin in Mississippi gearbeitet hat, gibt sich als kultiviertes, sensibles Wesen, während im Haushalt, in dem sie landet, vorzivilisatorische Zustände herrschen. Der Streit zwischen dem jungen Ehepaar geht zuweilen bis an die Grenze des Totschlags, weil Stanley ein Choleriker ist  und Brutalität zu seinem Naturell gehört. So temperamentvoll gegeneinander gekämpft wird, so leidenschaftlich wird Versöhnung gefeiert.

Klar, dass Blanche in der engen Wohnung, wo Nachbarn und die Kumpel Stanleys aus- und eingehen, um ihre Sauforgien zu  feiern, ein Fremdkörper bleibt. Stanley hasst sie und macht sich daran, ihren Lebenslauf zu studieren. Dass sie eine Alkoholikerin ist, ist offensichtlich, aber er findet heraus, dass sie als Lehrerin gescheitert ist und als eine Art Sexmonster ihr Dasein gefristet hat. Blanche flüchtet sich in Spinntisierereien und verliert zunehmend den Realitätsbezug. Schließlich wird sie in eine psychiatrische Anstalt eingeliefert.

Das Bühnenarrangement (Vincent Mensnaritsch) mit zwei Spielflächen und einem Plastikvorhang funktioniert vortrefflich. Mühelos kann man sich das Raumgefüge dieser Wohnung vorstellen. Hier hat der rasende Stanley reichlich Gelegenheit, mittels durch die Gegend gepfefferter Utensilien seine Tobsuchtsanfälle auszuleben. Durch die Wahl der Kostüme (Elke Gattinger) – Blanche kommt aufgetakelt daher und zeigt auch mehrmals, welche Dessous sie bevorzugt – wird der Gegensatz zwischen den Figuren überdeutlich gemacht.

Rudolf Frey führt die Handlung zunächst schön entlang der Grenze zum totalen Eklat. Leider hält er nicht auf der ganzen Strecke durch. Sehr scharf und pointiert gezeichnet erscheint von ihm die eine oder andere Nebenfigur, wie etwa der Nachbar (Volker Wahl), der unter permanentem Alkoholeinfluss wie ferngesteuert unterwegs ist.

Elke Hartmann ist die Blanche, die mit ihren Lebenslügen immer weiter abdriftet. Sie gibt sich exaltiert, verzweifelt, triumphierend und gedemütigt. Fast Übermenschliches ist von der Darstellerin gefordert. Davon erfüllt Elke Hartmann doch recht viel.

Das Raubein Stanley wird von Timo Senff gespielt, der genüsslich seine indiskutablen Manieren dem vornehmen Getue von Blanche entgegensetzt. Bereitwillig und mit viel Körpereinsatz bestätigt er alle Klischees, die andere von einem ungeschliffenen „Pollacken“ haben. Christiane Warnecke ist seine Frau, die auf den Standesunterschied pfeift, rein auf Sinnlichkeit setzt und so ganz und gar auf ihre Kosten zu kommen scheint. Freilich muss sie das Krisenmanagement gut beherrschen. Unverdrossen stakst sie über die Bühne, und es wundert einen, dass vom impulsiven Stanley nicht schon längst einmal mitten entzwei gebrochen worden ist.

Unter den Saufbrüdern gibt es einen, der nicht ganz zu ihnen passt, Mitch. Er scheint Gefühle zu haben, glaubt an eine gemeinsame Zukunft mit Blanche. Oliver Hildebrandt zeigt, dass dieser Mitch auf Blanches Lügen hereinfällt und schließlich eine Prozedur schmerzhafter Ernüchterung durchmacht.

Um den Rahmen dieser Rezension zu schließen, sei noch erwähnt: Es fällt auf, dass Harald Fröhlichs Hemd – er spielt einen Arzt, der Blanche abholt – von einem derart blühenden Weiß ist, dass es einem fast in den Augen sticht. Das verwendete Waschpulver sollte ein Verkaufserfolg werden.

Aufführungen bis 23. Oktober. - www.ebuehne.at
Bilder: Schauspielhaus / Eva Marie Griese

 

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