Fädengesteuert auf der Suche nach dem Ich
MARIONETTENTHEATER / FESTIVAL PUPPETS!
18/10/24 Alle zwei Jahre will das Salzburger Marionettentheater künftig internationale Gäste aus seiner Branche einladen: Am kommenden Donnerstag (24.10.) beginnt das erste Festival Puppets! Der Beitrag des Marionettentheaters ist die Premiere von Shakespeares Romeo und Julia am Eröffnungsabend.
Von Reinhard Kriechbaum
Puppet ist das englische Wort für Gliederpuppe oder Marionette. Fürs erste Festival nimmt man den Begriff wirklich beim Wort: Es werden ausschließlich Ensembles und Künstler gastieren, die sich den Fädenpuppen verschrieben haben. „Bau und Spiel der Marionette erfordern im Vergleich zu anderen Puppenspielformen besonderen Aufwand und viel Erfahrung, da über die Fäden kein direkter Kontakt zwischen Puppenspielern und Figuren besteht“, erklärt man im Marionettentheater, das ja genau deswegen Aufnahme in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturguts gefunden hat. „Immer weniger Theater nehmen sich dieser Herausforderung an, und doch bleibt die Faszination des Marionettenspiels auf sein Publikum seit Jahrhunderten ungebrochen.“
Von 24. bis 27. Oktober sind fünf Compagnien aus Spanien, Frankreich, Italien und Deutschland zu Gast in Salzburg und zeigen, wie vielseitig und vielschichtig Marionettenspiel sein kann. Unerwartetes ist dabei. Gleich zu Beginn, am 24. Oktober um 19 Uhr im Theater im KunstQuartier, der Jedermann. Da wird man vergeblich auf eine üppige Tischgesellschaft warten, denn die Puppenspielerin Marcella von Jan und der Regisseur Frank Soehnle verdichten Hofmannsthals Stück zum Solo. Was nicht heißt, dass der reiche Prasser es nicht mit dubiosen anderen Figuren zu tun bekommt. Wesentliches Element dabei: der Dialog mit der Musik, einem Solo-Cello.
Der deutsche Figurenspieler und Regisseur Frank Soehnle ist mit einer weiteren Produktion zugange, seinem figuren theater tübingen, das keine feste Spielstätte hat, sondern immer unterwegs ist. Die geheimnisvolle Geschichte Das zweite Ich (am 25. und 26. Oktober in den Kammerspielen) beruht auf einem Manuskript von Walter Benjamin. Ein Mann träumt sich am Silvesterabend zurück – und deckt verpasste Chancen, vergessene Vorsätze und verdrängte Wünsche auf. Um das Bild von sich selbst geht es auch in dem Marionettensolo Identitats mit dem katalanischen Puppenspieler Carles Cañellas (am 25. und 26. Oktober im Toihaus). Wie und wohin entwickelt sich da eine vorerst nackte, gesichtslose Holzgliederpuppe?
Aus Italien kommt das Duo Di Filippo Marionette, das mit seinen poetisch-humorvollen Stücken Hanging By A Thread und Variations ganz ohne Worte Menschen jeden Alters erreicht (am 26. und 27. Oktober im Toihaus). Schließlich noch Le Dernier Jour de Pierre: In der detailreichen Produktion der französischen Compagnie DERAÏDENZ wird die Geschichte eines Mannes auf Wanderschaft erzählt, immer wieder unterbrochen von übernatürlich-düsteren Episoden (26. und 27. Oktober, Theater im KunstQuartier. Im Rahmenprogramm gibt es unter anderem eine Fotoausstellung 111 Jahre Salzburger Marionettentheater in der Academy Bar.
Und der Salzburger Beitrag? Das wird die Premiere von Romeo und Julia am 24. Oktober im Marionettentheater. Regisseur Thomas Reichert ist dieser Institution seit 2006 durch mehrere Produktionen verbunden. Er will den Stoff mitsamt seinen tragischen und komischen Elementen in einer heutigen Sprache verdichten, „ohne die Poesie Shakespeares zu übergehen“, in einem großen, reduzierten Bühnenraum und in der Verbindung aus verdecktem und offenem Marionettenspiel. „Da sind Romeo und Julia, die ihre Liebe nur durch Selbstmord retten können. Sie bekommen einfach keine Chance, friedfertig erwachsen zu werden.“ Die Geschichte können Marionetten „ganz besonders stark erzählen, da sie – nur aus Holz und scheinbar leblos – die uneingeschränkte Projektionsfläche von Gefühlen und Gedanken jedes einzelnen Zuschauers sein können“, so Regisseur Thomas Reichert.