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Es chattet der Mensch, so lang er strebt

LANDESTHEATER / WHATSAPP STORIES

27/09/24 „Warum kannst Du nicht eine WhatsApp-Gruppe mit Dir selbst eröffnen?“ Gar nicht nett, wenn man das vom genervten Ehemann geschrieben bekommt. WhatsApp Stories, ein Sück von Ronnie Brodetzky, in den Kammerspielen des Landestheaters.

Von Reinhard Kriechbaum

„Solchterne Sachen lassen sich nicht erfinden, nicht einmal in unserem Etablissement“ hieß es einst im Abspann einer Sonntagmorgen-Kabarettsendung im ORF-Hörfunk. Nein, sie lassen sich wirklich nicht erfinden, die besten Nummern schreibt das Leben selbst. Das weiß die israelische Theaterfrau Ronnie Brodetzky. Das Ergebnis sind dann Produktionen wie 1000 Tutorials (2020 im Salzburg Landestheater) oder eben jetzt WhatsApp Stories. Bei den Internet-Gebrauchsanleitungen zeigt sich immer auch ein wenig Exhibitionismus jener Menschen, die solche ins Netz stellen. Nicht anders ist es, wenn man sich manche Chats ansieht. Die Autorin und Regisseurin und ihr Team haben „monatelang WhatsApp-Nachrichten aus dem eigenen Leben gesammelt und diese zu einem Stück zusammengefügt“, heißt es im Programmheft. Mit komischen, aber auch rührenden Menschen scheinen diese Leute ihr Leben zu teilen!

„Der Übergang vom Schreiben zum Treffen ist immer etwas seltsam“, postet da ein junger Mann, der etwas schüchtern eine Beziehung ansteuert. Der virtuelle Bursche am anderen Ende der Leitung, der es mit der Buchstabenordnung nicht so genau nimmt, gibt sich umso hurtiger und temperamentvoller. Wird nichts aus dieser Anbahnung, ebensowenig aus jener, die ein Theatermann mit einer sechzehnjährigen Verehrerin ansteuert (ein Glück für die junge Dame, die rechtzeitig Lunte riecht). Ein anderer Theatermensch versucht per WhatsApp über Monate vergeblich, das Honorar für eine Performance einzufordern. Das junge Elternpaar mit Kind begegnet sich offenbar nur mehr ganz selten in situ. Auch im Chat drohen der Alltag an der Zuneigung zu nagen.

Wäre es eine Option, das Tippen auf dem Smartphone einfach sein zu lassen und eine persönliche Begegnung anzustreben? „Lasst uns am Freitag drüber reden“, ist ein Stehsatz im Gruppenchat einer leicht durchgeknallten Mutter mit ihren erwachsenen Kindern. Die Dame whatsappt pausenlos und berichtet von ihrer Beziehung zu einem Herrn namens Shlomi. Es wird letztlich nichts aus der Eröffnung der gemeinsamen Psycho-Praxis „Berühren und Spüren“, denn der zwielichtige Bursche stellt sich als Betrüger heraus. Ausgerechnet die analoge Beziehung scheitert!

Die Theaterarbeiten von Ronnie Brodetzky – nach Aquarium (2019) und 1001 Tutorials sind die WhatsApp Stories ihre dritte Inszenierung in den Kammerspielen des Landestheaters – zeichnen sich durch einen hohen Anteil an Musik und Tanz aus. Und durch Übersteigerung ins Groteske. Es ist eine kühne Mischung aus Musikkabarett und Boulevardkomödie. Ur-witzig der zur Opern-Karikatur verwandelte Chat eines „Beirats der Wohnungseigentümer“.

Tina Eberhardt, Larissa Enzi, Lisa Fertner, Marco Dott, Phillip Henry Brehl und Abel Haffner bilden das grandios-spielfreudige sechsköpfige Ensemble. Sie nehmen die unterschiedlichsten Rollen ein. Durch einen Glitzerstreifen-Vorhang kommen sie, sprechen in Mikrophone, machen sich wieder davon. Ruth Millers so simpler Bühnenraum und ihre parodistischen Kostüme verstärken die tiefen Abstürze der zu Karikaturen überhöhten Protagonisten. Es chattet der Mensch, so lang er strebt.

Manche haben hehre Ziele, wie jene Gruppe friedfertiger Menschen, die verkündet: „Wir machen aus Protest gegen den Krieg Kopfstände.“ Auf Yogamatten. Ganz ohne Dellen geht aber auch das nicht ab: „Ghandi hätte die Gruppe längst verlassen“, tobt einer. Ja, wenn Gandhi ein Smartphone mit WhatsApp gehabt hätte, sähe die Welt wohl wirklich ganz anders aus.

Aufführungen bis 25. Jänner 2025 in den Kammerspielen – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Tobias Witzgall

 

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