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Mama, was sind Hurenkinder?

SCHAUSPIELHAUS / KEIN LEICHTES MÄDCHEN

13/05/24 Hilflose Ausgebeutete? Selbstbewusste Dienstleisterinnen? „Das älteste Gewerbe der Welt“ steht seit jeher im Zwielicht der öffentlichen Wahrnehmung. Die Sängerin Elisabeth de Roo lädt zu einem „käuflichen“ Liederabend über Sexarbeit mit dem Titel Kein leichtes Mädchen.

Von Erhard Petzel

Elisabeth de Roo hat 98 Interviews mit Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern in Deutschland und Österreich geführt. Auf diesen Gesprächen basiert das Stück. Abgesehen von Zuhälterei und Menschenhandel als kriminelle Ausbeutung verursache Sexarbeit an sich weder Täter- noch Opferschaft. So das Fazit der Sängerin Elisabeth de Roo.

Sie vergleicht die Arbeit von Menschen in der Sex- durchaus mit jener von Leuten in der Kunst-Branche. Beides sei eine oftmals empathische Dienstleistung am Anderen, die auch gern gemacht werde. So wie bei ihr als Sängerin für ihr Publikum... Elisabeth de Roo macht sich das Künstlerleben keinesfalls leicht: Indem sie einen klassischen Liederabend abstimmt auf eine Erzählung, die sie aus der Recherche im Milieu von Sexarbeit ausbreitet, bewegt sie sich in einem Zwischenbereich von Kleinkunst-Performance, Liederabend und Sozialprojekt. Elisabeth de Roo stemmt eine One-Woman-Show begleitet am Klavier von Vyara Shuperlieva. Premiere war am Samstag (11.5.) im Foyer des Schauspielhauses.

Die Nr. 1 aus Schumanns Frauenliebe und Leben op. 42Seit ich ihn gesehen – wird noch durchgesungen. Schon bei der Nr. 2 – Er, der Herrlichste von allen – erfolgen Zusammen- und Abbruch. Die Pianistin zerrt die Verzweifelte aus der Hinterbühne hervor und tröstet. Ist die humane Geste auch taktische Tücke aus künstlerischer Berechnung, setzt sie dennoch das emotionale Generalvorzeichen für die Stimmung des Abends.Wenn auch die Geschichte einer Mutter von Zwillingen, die nach dem Abtauchen ihres Mannes die Finanzen über Sexarbeit konsolidiert, etliche kabarettistische Elemente enthält, so ist doch die unstrittige Grundhaltung Empathie und Engagement. Die Regie von Thomas Lackner führt zu lockeren Ausflügen ins Publikum.

Zitiert wird neben O-Ton aus der Branche auch Literarisches aus Hamlet oder das Lied der Seeräuber-Jenny. Lieder von Schubert, Schumann, Grieg, Mahler, Berg, Strauss und Rachmaninov passen sich in ihrer Bandbreite lose in Inhalt und Stimmung des ausgeführten Geschehens ein. Das Foyer des Schauspielhauses unterstützt Erzählung und Spiel, ist akustisch aber schwierig für den Gesang. Das Klavier steht unter einem extra Bogen und damit etwas abseits, wenn der Sopran mit Vibrato in forcierte Zonen einschwenkt. Bewegend in Stimmung, Inhalt und Klang Schumanns Zwielicht op. 39 Nr. 10.

Problembearbeitung und Beratung für Menschen in der Sexarbeit wird in Salzburg von der Frauen-ServiceStelle PiA (von Berufschoaching und Umstiegsberatung bis Krisenintervention und Unterstützung) geleistet. Christine Nagl ist hier als Ansprechpartnerin und helfende Instanz engagiert. Sie steht auch hinter dem künstlerischen Projekt und konnte mit Robert Pienz eine beachtliche Aufführungsserie im Schauspielhaus einrichten.

Der Charakter der Produktion ist vom kulturellen Hintergrund Elisabeth de Roos geprägt und damit musikalisch klassisch ausgerichtet. Das Stück empfiehlt sich für alle möglichen Lokationen, die mit einem halbwegs ordentlichen Klavier ausgestattet sind. Anliegen und Geschichte könnten aber auch in jeder anderen Gestalt verwirklicht werden bis hin zu einem eigens dafür eingerichteten Liedermacher-Ereignis. Man darf gespannt sein, ob Elisabeth de Roo – in ihrer Biografie stehen etwa ÖH-Vorsitz, Carreer Center, Agentur für Qualitätssicherung – ihr Projekt noch in andere Zonen ausweiten wird. Soziales Engagement scheint ihrer DNA jedenfalls eingeschrieben zu sein.

Die gebürtige Traunsteinerin stellt mit einer Anekdote aus ihrer Studienzeit am Mozarteum den Konnex zum Thema her: Auf die Frage der Gesangslehrerin verglich sie den Stimmapparat im grafischen Schnitt durch den Kehlkopf mit einer Vulva, was diese begeistert bestätigt habe. Dieser Zugang zum Körperlichen und Erotischen sei für sie der Zusgang zur Kunst. Vielleicht darf man diesen Anspruch erweitern, gerade in dem Moment, wo wir uns vor lauter Hinwendung zur KI wieder auf den Menschen rückbesinnen müssen. Bei allem Bestreben, Vernunft zu erkennen und anzunehmen, leben wir als von Gefühlen getriebene Tiere vor allem aus der Kraft des Eros. Empathie mit potenziell Ausgegrenzten steht auch dafür. Lauter Applaus als Bestätigung des Publikums.

Kein leichtes Mädchen – weitere Aufführungen im Foyer des Schauspielhauses bis 22. Juni – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: www.keinleichtesmaedchen.com

 

 

 

 

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