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Im Dunkel der Felsen

SOMMERSZENE / APPLIED THEATRE

24/06/22 Der Cave Club ist wahrscheinlich vielen Salzburgern der jetzt mittleren Generation ein Begriff. Stichwörter: Techno Musik, Gothic Szene, Drogendealer, Neonazis. Ort des Geschehens: Rainberg, Westflanke. Jetzt ist gegenüber das Quartier Riedenburg, damals war's die Sporthalle auf dem Kasernengelände.

Von Reinhard Kriechbaum

2009 ist der Cave Club in die Schlagzeilen geraten. Die Polizei hatte schon zuvor die Disco, wo die Gothic Szene umging, beobachtet. Freilich nicht gar so vehement (man war wohl froh, dass sich das hier und nicht irgendwo in der Innenstadt abspielte). Der Drogenhandel im Cave Club war ein offenes Geheimnis.

Ob es ein Lokal war, in dem Neonazi umgingen, wurde nie wirklich verifiziert. Vielleicht war's mehr Kostümfest für blauäugige Jugendliche, aber so genau wollte man das im Jahr 2009 gar nicht wissen. Bald danach war's um den Cave Club sowieso geschehen.

Jetzt jedenfalls wurde der Cave Club Thema eines Theaterprojekts. Zum ersten Mal kooperierten die Sommerszene und der am Thomas Bernhard Institut der Universität Mozarteum 2019 neu gegründete Masterstudiengang Applied Theatre. Da geht’s um darstellende Kunst mit explizit gesellschaftlicher Relevanz. „Mit ihren individuellen Perspektiven kommen fünf internationale Studentinnen zusammen und bilden im laborhaften Setting ein temporäres Pro-Forma Kollektiv.“ So wird die Sache auf der Szene-Homepage beschrieben.

Ein Projekt, das schon im Vorjahr produziert wurde, war auch heuer im Sommerszene-Programm: Als alle Ohren hören konnten, die Arbeit des zweiten Jahrgangs, ist eine Audio-Installation über das Zwangsarbeiterlager Maxglan, in Salzburg meist „Zigeunerlager“ genannt. Die zweite Produktion ist seit Mittwoch (22.6.) im Rainberg-Probenraum des Landestheaters zu sehen. Nicht in der Halle, wo früher gelegentlich Aufführungen stattfanden, sondern in einem kleineren Felsenstollen daneben. Der Originalort keine dreihundert Meter weiter, also der „echte“ Cave Club, blieb auch den Studentinnen verschlossen.

Beim Applied Theatre, wörtlich übersetzt „Angewandtes Theater“, geht es also um Bühnenkunst mit gesellschaftlicher Bedeutung. Das Publikum wird so hautnah wie möglich einbezogen. In der fünfzigminütigen Performance Dance until we die heißt das: Beim Ertönen von Alarmsirenen eilig hinein in den Stollen, in die Hocke gehen, Köpfe einziehen! Das war wohl so, als 1944 Bomben auf Salzburg fielen und Menschen in diesen Stollen Platz fanden. Solche Situationen sind für siebzehn achtzehnjährige Gaststudentinnen aus der Ukraine, die auch mitmachen in dem Projekt, leider ganz reale Erfahrung. Sie erzählen davon.

Eine „Nachnutzung“ der Kavernen, die im Zweiten Weltkrieg in allen Stadtbergen gegraben wurden, war unter anderem das Züchten von Champignons im Stollen unter dem Kloster Nonnberg. Und in der Riedenburg gab's eben den Cave Club, eine Disco. Zwischen Fliegeralarm und Techno-Sound wird davon erzählt. Das Publikum ist eingeladen, die Ohren an die Nagelfluh-Wände zu legen. Einige Zeitungs-, ORF- und APA-Texte über Wahrnehmungen von Neonazi-Umtrieben werden von Besucherinnen und Besuchern vom Reader gelesen. Es steckt keine besonders aufwändige Recherche dahinter. Fünf Minuten Google-Surfen und man hat diese Informationen beisammen, die weitgehend auf einem einzigen APA-Bericht fußten. Auffallend ist, dass sich 2009 vor allem der Boulevard (Krone und Ö24) der Sache angenommen hat. Der Konkurs des Cave Club hat den Neonazi.Auftritten (wenn's denn welche waren) sowieso ein Ende bereitet.

In der Performance geht es natürlich auch um weiterführende Fragestellungen: Ist es statthaft, an einem Ort, den eine Generation als einen Ort des Schreckens erlebt hat, zu tanzen? Wie denken darüber junge Menschen aus der Ukraine? Alles eine Frage der Perspektive, der Reflexion – oder eben auch des Nicht-Nachdenkens.

Letzte Aufführung heute Freitag (24.6.) um 20 Uhr. Treffpunkt Ecke Leopoldskroner Straße / Rainbergstraße – www.szene-salzburg.net
Bild: Applied Theatre / Mitzi Gugg

 

 

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