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Der Tod muss kein Wiener sein

KLEINES THEATER / DER TATORTREINIGER

18/05/21 Warum wohl ist die deutsche Dramatikerin Ingrid Lausund für ihre Fernsehserie Der Tatortreiniger in ein Pseudonym geschlüpft? Diese Folge von Kammerspiel-Sketches der imaginären „Mizzi Meyer“ fällt mit seinem skurrilen Witz und seiner literarischen Hintergründigkeit quasi zwischen die Stühle. Am Donnerstag (20.5.) hat Der Tatortreiniger im Kleinen Theater Premiere.

Von Reinhard Kriechbaum

Es hat eh eine gute Weile gedauert, bis sich Der Tatortreiniger nach Salzburg durchgesprochen hat (es ist sogar eine Österreichische Erstaufführung). Schon 2012 wurde die Autorin dafür mit dem Grimme-Preis (einer Fernseh-Auszeichnung) bedacht und 2019 mit dem Deutschen Fernsehpreis Und den Deutschen Comedypreis gab's auch dafür – eine eher fremdartige Ehre im Preis-Portfolio der 1965 in Ingolstadt geborenen Ingrid Lausund, die 1999 eine Gastprofessur am Mozarteum innehatte.

Auf der Bühne des Kleinen Theaters begibt sich also Edi Jäger an den Tatort. Anita und Magdalena Köchl laufen ihm dort über den Weg, außerdem Klaus Eibensteiner, der als Schauspieler/Sänger/Musiker quasi auch schon zur Familie gehört. Giora Seeliger führt Regie.

Wenn alle anderen weg sind – Polizei und Spurensicherung, der Mörder sowieso – wenn also nur noch die Leiche da ist, dann ist der Tatortreiniger „Schotty“ am Zug. Er entfernt, was keiner mehr sehen will. Mit Bürsten und chemischen Substanzen putzt er die Tatorte. Er braucht Empathie und Geistesgegenwärtigkeit, denn Schotty bleibt nicht allein. Er begegnet ihm bis dahin völlig fremden Menschen, Hinterbliebenen oder Bekannten der Opfer, Leuten in emotionalen Ausnahmezuständen.

Schwarzer Humor fehlt nicht in diesen Sketches, und es ist ja ein Markenzeichen von Ingrid Lausund, dass sie hinter gewitzt konstruierten, an der Absurdität kratzenden Szenen unsere vermeintliche „Normalität“ durchblitzen lässt. Jedenfalls lässt sie ihr Publikum über ziemlich verquere Normalität nachdenken. So ist das in manchen ihrer Erfolgsstücke wie Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner, Der Weg zum Glück, Bandscheibenvorfall - Ein Abend für Leute mit Haltungsschäden oder Glücksfelder so. Letztgenanntes Stück thematisiert das Leben vor und nach Glasnost, Ingrid Lausund hat es 1997 mit russischen Studenten der Theaterakademie Almaty in Kasachstan entwickelt.

Auch Der Tatortreiniger stellt kindliche Fragen mit unschuldigem Gesicht und reinem Herzen. Aber dann gehen die Vorurteile und Filterblasen quasi in den Infight. Sprach- und Denkmechanismen prallen aufeinander, Die Tatorte entpuppen sich als Seziertisch monströser Menschlichkeit und als Labor der geplatzten Träume. In einer Standard-Rezension zur Fernsehserie hieß es, der Tatortreiniger verleihe „dem Tod etwas zutiefst Humoristisches, weil bei ihm dann doch immer das Leben mehr zählt als dessen tragisches Ende“.

Aus einem PR-Text: „Die Autorin Lausund recherchiert penibel – sie traf sich regelmäßig mit einem professionellen Tatortreiniger, lernte seine Denk-, seine Verdrängungsmechanismen, aber auch seine feine Empathie und Pietät. Diese Theatertexte wurden ihr Vehikel, ihre Sonde in abgeschlossene Räume der Gesellschaft, zu den Absonderlichen, die sie wie kaum jemand sonst kennt.“

Das Deutsche Schauspielhaus Hamburg und das Schauspielhaus Köln waren ihre Haupt-QWirkungsstäötten. Ingrid Lausund lebt in der Bretagne und in Berlin. Wer also sagt da noch, dass der Tod ein Wiener sein muss?

Premiere am Donnerstag (20.5.) im Kleinen Theater, weitere Aufführungen am 22., 28. und 29. ;ai, auch im Juni, Juli August und bis in den Herbst hinein sind Termine vorgesehen – www.kleinestheater.at
Bilder: Kleines Theater / Ernest Stierschneider, Erika Mayer (2); Suhrkamp/Insel, Rémy Savisky (1)


 

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