Alles zerstört, was es zu zerstören gibt
OFFTHEATER / DIE ERÖFFNUNG
18/10/19 Das OFFtheater besteht seit zehn Jahren. Zum Auftakt der Jubiläumssaison zeigt man Peter Turrinis Stück Die Eröffnung, ein Stück Selbstreflexion über das Theater und die Schauspielerei.
Von Erhard Petzel
Das Theater als Reflexionsort auf der Metaebene, ein sehr typisches Thema für eine Literaten-Generation, deren Proponenten solche Prominenz entwickelt haben, dass es für Nobelpreise reicht. Aber weder Handkes Intellektualität in seiner Publikumsbeschimpfung noch Bernhards bissiger Furor oder Jelineks disruptive Erzählweise sind Vorgaben für Turrinis im Millenniumsjahr herausgebrachte Bühnenshow für zwei Männer und eine Frau im Hintergrund. Der Einakter Die Eröffnung entwickelt die Dynamik eines poetischen Kabaretts und erzählt ironisch eine Geschichte in letztlich traditioneller Konsequenz.
Der ehemalige Theaterkönig reflektiert seine fiktive Karriere. Alex Linse tritt dazu mit seinem – je nach dramaturgischem Bedarf – jüngeren Alter Ego Thomas Pfertner in einen inneren Dialog. Beide tauchen aber je nach Situation in beliebige andere Partnerrollen ein, sodass auch eine veritable Fechtszene zwischen dem etablierten Theaterkönig und seinem Herausforderer Platz findet. Komische Verfremdung ist die Grundtonart des Geschehens, das zwischen Denkmöglichem und Überspitztem Bretterweisheiten zum Bühnenleben auswalzt.
Victoria Stark ist eine explizit schwache Figur, sitzt meist auf der Seite. Wenn sie in der Rolle der Kunsttänzerin auf die Bühne darf, geht sie gleich in der Projektion einer solchen auf (Anna Knott), spielt als Kind Stichwortgeberin (Baum, Schiff, Kopiermaschine), bis sie vom gealterten Bühnenkönig als Lebensretterin in der Not präsentiert und mit Mantel und Krone öffentlich gewürdigt wird. Zu sagen hat sie aber auch dann nicht wirklich etwas, ist sie doch die publikumsstumme graue Maus im Hintergrund und damit wesentlicher Untergrund des geprotzt Vordergründigen. Vielleicht. Es bleibt offen, wie ernst die Ausflüge in die Gefilde geflügelter Worte und präsentierter Weisheiten genommen werden können.
Die Bühne (Florian Strohriegl) zeigt die Garderobe des Theaterkönigs, die mittels Gaze-Vorhang und Projektionen ausgeblendet werden kann, Kostüme und Maske (Andrea Linse) passen sich mit minimalem Aufwand den jeweiligen Anforderungen an. Den üblichen Rahmen von Kleinkunst-Dynamik sprengt eine ausgedehnte Schminkszene als kontemplative Atempause. Musikeinspielungen unterstreichen und konterkarieren das Geschehen (Spielfassung und Inszenierung: Jonas Meyer-Wegener). Das Spiel mit präsentierten Gefühlen wird als solches thematisiert und als skurriles Zerrbild der Lächerlichkeit preisgegeben.
So muss sich Alex zu Beginn seinen Bühnenspot erst erkämpfen, bevor er sich als kümmerliche Existenz präsentiert, die sich durch Verkauf von Handy-Fernsprecheinrichtungen am Bahnhof selbst neurotisiert, mit aller Kraft Bühnenangebote anstrebt und als Balladensprecher auf Kreuzfahrtschiffen landet, nach zahlreichen Bettgängen dort seine Traumfrau findet, die Familie aber nach dem beruflichen Erfolg verlässt, das Kind fallweise betreut, bis es mit ihm bricht. Er verliert sein Herz, das er dem Publikum schenkt, und den Sinn seines Lebens, geht in ein buddhistisches Kloster, hat bei der Rückkehr Stress nach Thai-Sex und landet nach dem Tod seines Kindes in der Psychiatrie. Im Gegensatz zur grundsätzlich komischen Komponente einer nicht gänzlich gescheiterten Existenz steht die Erkenntnis: „Am Ende hat man alles zerstört, was es zu zerstören gibt.“ Nicht so der Theaterabend, bei dem das hoch zufriedene Publikum auflebt.