My Posse, my rules
KLEINES THEATER / DER WEIBSTEUFEL
29/10/18 „Wir hatten bis heute Abend noch keine einzige Karte verkauft“, gesteht das Ensemble nach dem Applaus im zumindest halbgefüllten Kleinen Theater. Karl Schönherrs burleske Posse Der Weibsteufel mag heute kein sozialkritisches Epochalwerk mehr sein. Vielleicht gerade deshalb: Selten ist ein Publikum derart unbeschwert vom Theater nach Hause gegangen.
Von Franz Jäger-Waldau
„Ich bin schon bemannt.“ - „Bemannt sagen Sie? Komisch, ich hör aber gar keine Kinder schreien.“ Vor genderkritischen Klagen müsste sich Karl Schönherrs (1867-1943) Schauspiel Der Weibsteufel zweifellos im Boudoir verstecken. Dennoch überdeckt es keineswegs die Problematik einer rustikalen Geschlechterkonstellation am fin de siècle: Eine Frau (Julia Frisch), lediglich liebevoll „Weib“ gerufen, wird zum Werkzeug zweier Männer inmitten ihres Machtspiels um Ehe und Ehre. Und Geld.
Das versierte Schmugglerehepaar spart mit dem delinquent verdienten Einkommen auf ein neues Haus am Marktplatz.
Verzweifelt vor der Unfähigkeit, den beiden das Handwerk zu legen, greifen die Autoritäten selbst zu unorthodoxen Methoden: Ein junger Gebirgsjäger (Thomas Hofer) versucht es durch die Hintertür - und lässt sich selbstsicher als erotischer Köder vor den Augen der Frau baumeln. Simultan wirft der schlaue Schmuggler (Mathias Schuh) seine Frau als Gegenköder aus: „Wenn er dich fangen will — fang ihn du.“ Doch die Angelschnüre verschlingen sich ineinander. Liebe lässt sich nicht spielen, ohne wahr zu werden.
Der Weibsteufel erfindet das Rad sicher nicht neu. Das fünfaktige Regeldrama übt keine subversive Systemkritik, probiert keine großen Formexperimente, aber genau das versucht die Inszenierung im Kleinen Theater dem Stück auch gar nicht erst aufzuzwingen. Sie wagt wesentlich Kühneres: Eine Vorstellung, bei der die Unterhaltung des Publikums im Vordergrund steht. Dieser furchtlos anachronistische Skandal scheint kein Ende zu finden: Die Zuschauer machen mit.
Sicher, der Humor ist derb, das Stück spielt mit dem platten Reiz rustikaler Phrasen wie „Der schlenkert dich weg, wie eine Fliegn“. Aber Mathias Schuhs Inszenierung weiht dem ohnehin kleinen Theatersaal eine derart intime Lagerfeuer-Atmosphäe, dass die Stimmung nicht gebrochen, sondern dadurch gestärkt wird, wenn die Schauspieler in der Pause selbst helfen, das Bühnenbild zu räumen.
Die revolutionäre Brille zwischendurch zum Putzen abgesenkt scheint auch die erbauliche Bedeutung klar. Die Posse will am Ende nicht die Falschheit des gesellschaftlichen status quo beweisen, sondern beispielhaft zeigen: Die Befreiung aus der Unterdrückung muss nicht immer mit moralischen Mitteln geschehen oder zu idealen Zielen führen. „Wir hatten bis heute Abend keine einzige Karte verkauft“, rechtfertigt das Trio das Streichen der restlichen Aufführungen in Salzburg. „Ich komme aus Traun, ich erzähle es dort weiter“, lautet eine Antwort aus dem Zuschauerraum. Wenn auch heute keine Katharsis uns zu besseren Menschen machen mag, befreien zumindest solche Gesten die Institution von ihrem elitären Habitus und erinnern dabei an die Wurzeln des Theaters. Ein Theater, das, um zu wirken, nicht zwingend die Zuschauer in moralische Dilemmata stürzen muss.