Zum Abtreten sind die meisten zu feig
JUGENDTHEATERTAGE / NORWAY.TODAY
08/06/10 "Achtung. Meine Nachricht ist nur für diejenigen bestimmt, die sich das Leben nehmen wollen. Mein Name ist Julie und ich werde Selbstmord begehen. Wie ich vorgehen will? Ich will es zu zweit tun."
Von Isabell Spanier
„Szenen aus norway.today“: Da haben die Mitglieder des Jugendclubs des Salzburger Landestheaters das moderne Zwei-Personen-Drama von Igor Bauersima an sich selbst geknüpft und dem Stück dadurch sehr individuelle Züge verliehen. Gleich sechs Mädchen schlüpfen in die Rolle der Julie, und auch August wird von mehreren Schauspielern gleichzeitig verkörpert. Den Musikeinspielungen, der Licht- und Schattenwirkung und vor allem dem schauspielerischen Talent der von Shantia Ullmann angeleiteten Jungakteure ist es zu verdanken, dass dieser Schauspielerwechsel vom Theaterbesucher nicht als störend empfunden wird. Im Gegenteil, es steigt die Möglichkeit der Identifikation: Könnten wir nicht alle eine Julie oder ein August sein?
Aus einem alltagsüblichen Chatgespräch zwischen zwei Jugendlichen entsteht auch inhaltlich mehr: sehr packend sprechen die Protagonisten über tiefste existenzielle Ängste, ausgelöst durch Julies Selbstmord- und Todessehnsucht. Man kommt ins Philosophieren, reflektiert das eigene Leben und die damit verbundenen Verpflichtungen. „Die Notwendigkeit, dauernd eine Rolle zu spielen macht mir die Gesellschaft echt lästig.“ - „Alle tun so, als wären sie wer. Aber das echte Gefühl ist das Gefühl des Nichts. Denn alles ist Fake! Jedoch zum Abtreten sind die meisten zu feig.“ Eine Reise nach Norwegen, ein fernab von alltäglichen Umständen lässt die Jugendlichen zu sich selbst kommen und animiert ein Umdenken in ihnen.
Shantia Ullmanns Inszenierung wirkt ernst, aber auch frisch und die anfängliche Melancholie scheint gegen Ende einer lebensbejahenden Stimmung zu weichen. Die Aufführung gibt nicht vor, was man sich dazu denken muss. Der Hintergrund bleibt offen und lässt viel Raum für eigene Gedanken: Warum also will sich Julie das Leben nehmen? Wieso will August sie begleiten? Verbindet die beiden nur die Chatbekanntschaft, ist alles nur Zufall oder steckt mehr dahinter? Wer war nicht selbst schon in einer sehr verzweifelten Situation und was würde passieren, wenn es manchmal keinen August geben würde, der einem gut zuredet, zu verstehen scheint und einen wieder auf die richtige Bahn hilft? - „Scheiße Julie, warum tun wir das?“
Die Salzburger Jugendtheatertage hatten am Sonntag (6.6.) mit „Der Tof im Apfelbaum“ begonnen: eine Version des „Jedermann“ vom Jugendclub stageARTproductions Salzburg unter der Leitung von Elfi Schweiger, die ja JugendTheaterTage initiiert hat und leitet. Sie finden zum vierten Mal statt.