Verdammte Freiheit
OFF THEATER / YELLOW LINE
11/06/18 Ein nordafrikanischer Fischer, der nicht nach Europa fliehen möchte. Ein überforderter Europäer, der am straffen Management seiner All-Inklussiv-Pauschalreise verzweifelt. Eine freiheitsbewusste Kuh, die die Medien in Atem hält: Julie Zeh und Charlotte Roos nehmen in ihrer Sozialsatire „Yellow Line“ moderne Zerrissenheit zwischen individueller Freiheit und angepasstem Herdenverhalten aufs Korn.
Von Ulrike Guggenberger
In der Inszenierung von Jonas Meyer-Wegener im OFF Theater in Schallmoos gleicht die Bühne einem Boxring, das anwesende Publikum gibt die Zuschauer auf den Tribünen: Am Beispiel des Paares Helene und Paul zeigen sich im Verlaufe einer „All inclusiv“-Wellnesskur deren unterschiedliche Charaktere. Wie befolge ich Vorgaben und Gesetze, was traue ich meiner Selbständigkeit zu, was verweigere ich. Man ist in diesen Fragen unterschiedlicher Meinung.Im Ring: Anja Clementi, Alex Linse, Diana Paul, Renéé Paul und Max Pfnür.
Helene bevorzugt eigenes Denken und Entscheiden. Paul folgt lieber den ausgetretenen Pfaden und findet eine gleichgesinnte Partnerin. Helene zieht sich zurück in ein engagiertes Beobachten und Verteidigen ihrer Ansichten. Ihre Haltung bezieht sich nicht allein auf den Menschen: Tiere empfindet sie als gleichberechtigte Partner. Freilich gerät sie mit ihren Ansichten in Schwierigkeiten der Obrigkeit gegenüber, etwa indem sie eine gelbe Linie übertritt. Ihr politisches Denken, wie auch die Verweigerung allgemein geltender Regeln ist für sie nicht ungefährlich.
Zur Frage, was ist Freiheit, gibt es eine Szene, in der ein aus dem Meer geretteter Fischer – nun zum Flüchtling erklärt - seiner Freiheit beraubt und wider seinen Willen gezwungen wird, im Land der Freiheit bleiben zu müssen.
Man verlagert damit den Freiheitsbegriff ins Absurde: In ihrer turbulenten Satire stellen Charlotte Roos und Juli Zeh das gängige Europabild auf den Kopf. Während sogenannte Herdenmanager dem Individuum die Entscheidung abnehmen wollen und Zaunbauer von vollen Auftragsbüchern schwärmen, lassen sich Künstler in Käfige sperren und zugunsten Libyens versteigern.
Das Stück endet phantastisch, indem Helene und ihr Mithelfer mit der Rettung einer Kuh in Schwierigkeiten geraten… Wohl, um dem kritisch-ernsten Thema Leichtigkeit zu geben, hat die Regie man zwischendurch herumgeisternde, mittels Kuh-Masken verhüllte Schauspieler ausgeschickt, die ihre Weisheiten zu modernem und zeitgemäßem Herdenmanagement von sich geben. Vielleicht wäre das gar nicht nötig gewesen. Die darstellerischen Leistungen der Protagonisten überzeugen ohnehin, das Publikum nimmt spürbar regen Anteil am Geschehen. Eine in sich stimmige Inszenierung - ein turbulentes Treiben mit brisantem gesellschaftspolitischem Hintergrund.
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Bilder: OFF Theater Sabine Bernetstätter