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Leben im Überwachungsstaat

SCHAUSPIELHAUS / 1984

04/10/17 Die Dramatisierung des Romans „1984“ von George Orwell“ von 1949 im Salzburger Schauspielhaus erweist eindrucksvoll die Aktualität des Sujets. Junge Leute kann die Aufführung zu einer Diskussion über politische Systeme anregen.

Von Werner Thuswaldner

Orwell hatte den Roman mit seiner düsteren Vorschau auf die künftige politische Entwicklung auf der Basis seiner Erfahrung zweier totalitärer Systeme geschrieben: des Kommunismus stalinistischer Prägung und des Faschismus. 1984 würden die Menschen endgültig unter einer perfekten Kontrolle leben, die den privaten ebenso wie den öffentlichen Bereich umfasst. Ist Orwells Prognose eingetroffen?

Fest steht, dass die Mittel zur Überwachung inzwischen noch viel effizienter geworden sind. Fest steht auch, dass die Demokratie, die dem Totalitarismus diametral gegenübersteht, in unserer Zeit nicht ungefährdet ist.

Das Schauspielhaus bietet, wie die Premiere am Dienstag (3.10.) zeigte, eine von der Regisseurin Petra Schönwald und der Dramaturgin Alina Spachidis sehr stark verknappte Fassung der Vorlage von Orwell über das Funktionieren eines politischen Systems, das die völlige Unterwerfung des Einzelnen fordert. Individualismus ist obsolet, der eigene Wille zählt nicht. Petra Schönwald kann die verschiedenen Motive des Buchs, das den Leidensweg der Hauptfigur namens Winston Smith nachzeichnet, nur andeuten. Jeder Schritt Winstons wird kontrolliert. Er arbeitet in einem Ministerium, das für die Vereinheitlichung der öffentlichen Meinung sorgt. Die Kontrolle funktioniert bis in die Gedanken hinein. Sprachregelung ist sehr wichtig. Mit dem Führen eines Tagebuchs (in der Inszenierung ist es eine Art Diktafon) will sich Winston einen privaten Bereich bewahren. Das misslingt, ebenso scheitert seine Liebesbeziehung zu einer Abweichlerin. Schließlich wird er enttarnt und grausamen (in der Inszenierung gemilderten) Verhören unterworfen.

Mit hohem Tempo wird Winstons Schicksal auf der Bühne abgehandelt. Er wird mit Anweisungen von Bildschirmen aus kommandiert und läuft ständig Gefahr, von seinen Kollegen, die wie er in senffarbenen Uniformen stecken, überführt zu werden. Der Komplexität des Romans nachzugehen, bleibt keine Zeit.

Das fast durchwegs junge Ensemble ist hoch motiviert. Jonas Breitstadt ist der einerseits verängstigte Winston Smith, der sich aber andrerseits zu bemerkenswertem Mut durchringt. Auch Tilla Rath als Mädchen mit einem unangepassten Lebenswillen ist ein starker Charakter. Von der alten Riege des Theaters ist Olaf Salzer als undurchsichtiger Protagonist im Spiel. Gehört dieser O´Brien zur Opposition oder will er Winston in eine Falle locken?

Weil die Themenstränge nur allzu kurz angetippt werden, ist der Abend nicht ganz befriedigend. Wenn die Inszenierung aber so gemeint ist, dass sie mit Hilfe des Romans von Orwell vor allem in Schulklassen eine Diskussion über politische Systeme anstoßen soll, speziell über den Wert der Demokratie und ihre Fragilität, dann erfüllt sie ihren Zweck voll und ganz.

Aufführungen bis 25. Oktober – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Jan Friese

 

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